Besser Laus drauf als Wurm drin

Vergangene Woche bekam ich ein ganz besonderes Geschenk einer Freundin, die auch Mama ist. Dank diesem außergewöhnlichen Mitbringsel duftet nun unsere gesamte Familie wie eine kunterbunte Frühlingswiese, vor allem hinter den Ohren. Wir riechen sogar so betörend, dass mein Mann abends aufgrund des Wohlgeruches, der aus dem benachbarten Gitterbett zu ihm hinüberweht, nicht einschlafen kann. Auch die provisorisch gebaute Geruchs-Mauer aus Kopfkissen bringt nicht den gewünschten Erfolg beziehungsweise den ersehnten Schlaf.

Dabei stammt die wundersame Gabe nicht aus einer Parfümerie, sondern aus der heimischen Dorf-Apotheke. Auch trägt die freundliche Schenkung keinen besonders wohlklingenden Namen wie es sich eigentlich für einen solch berauschenden  Duft geziemt. Weder „Romance“, noch „Escape“ oder „Fleur“ wurde als Name gewählt. Wobei alle drei hervorragend passen würden, besonders „Escape“. Auch an der Schönheit des Flacons ließe sich noch das ein oder andere optimieren. Marketing ist alles! Da kann man sich schon mal ein Beispiel an Kenzo und Co nehmen. Aber leider erwiesen sich die Hersteller des geschenkten Duftes als absolute Dilettanten, marketingtechnisch gesehen. Und das ist schade, denn der Duft kann so einiges und ist multipel einsetzbar – selbst als Raum-Zerstäuber oder als der neue „bed and body mist“. Aber was nutzen die mannigfaltigsten Aromen, wenn die Verpackung eine Katastrophe und der Name an Plumpheit kaum zu überbieten ist: Bei „Lausschreck“ lockt man wahrlich niemanden hinter dem Ofen hervor.

Amsel-Ei, Hühner-Ei, Straußen-Ei? Gefahr ist in Verzug!

Aber von vorne: Der Stenz kam diese Woche mit den Worten vom Kindergarten nach Hause: „Mein Freund hat Eier. Deshalb wurde er heute schon ganz früh vom Kindergarten abgeholt. Mami, ich frage mich, wie groß sind seine Eier?“ Wäre die Situation nicht so seltsam, müsste ich laut lachen. Ja, wie groß sind sie wohl die Eier? Eher so Amsel-Ei-Größe oder ist absolute Gefahr in Verzug, weil sie monströse Straußen-Ei-Dimensionen aufweisen? „Die müssen schon groß sein, wenn sie so gefährlich sind“ denkt der Stenz meinen Gedanken laut zu Ende.

Läuse-Schleusen – die Bälleparadiese von morgen

Und tatsächlich werden momentan im Kindergarten schwere Geschütze aufgefahren, da ist das frühzeitige Abholen bei Nissenbefall nur eine der vielen zielgerichteten Maßnahmen. So könnte unser geliebter Kindergarten momentan problemlos als Setting des nächsten Blockbusters „Outbreak II“ dienen. Da werden von den wunderbaren Kindergärtnerinnen Läuse-Schilder zur Information aufgehängt – Vorsicht ist geboten! Kuschelecken täglich und akribisch gesäubert, süße Kisselchen und Schmusedecken kochend ausgewaschen und sogar Läuse-Schleusen eingerichtet. Ja, der werte Leser hat sich nicht verlesen: LÄUSE-SCHLEUSEN! Was ich persönlich absolut phantastisch finde. Welcher Kindergarten weist eine so bemerkenswerte Attraktion auf? Rutschen, Feuerwehrstangen, Klettergerüste und Schaukeln, all das ist gewöhnliche Kinder-Animation. Vergiss die Trampoline unzähliger Kindergärten. Läuse-Schleusen sind die neuen Bälleparadiese! Ganz nach dem Motto: Läuse-Schleusen am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen.

Superman-Anzug: die beste Prophylaxe gegen Laus-Kontamination

Doch was wäre eine Schleuse ohne Schutzanzüge? Und tatsächlich läuft das Gros unserer Sprösslinge im Kindergarten momentan mit Spiderman-, Drachen-, Tiger- und Piraten-Ganzkörper-Kostümen umher, die Schutzanzüge der jecken Läuse-Zeit sozusagen. Dabei werden die bunten Hauben nur kurzzeitig zur morgendlichen Laus-Inspektion gelüpft. Denn seit ein paar Wochen besteht das Morgen-Ritual im Kindergarten nicht im heiteren Stuhlkreis, sondern in der trauten Eier- bzw. Nissen-Suche. „Wie werdet ihr denn untersucht?“ frage ich den Stenz neugierig. „Da kommt eine Ärztin und schaut mit einer Art „Eis-Stäbchen“ unsere Haare an“, erklärt er auskunftsfreudig. „Aha, mit einem Eis-Stäbchen also“, murmle ich und kratze mich gedankenverloren am Kopf.

„Lausschreck“ – Das „Drei Wetter-Taft“ für Mamis

Überhaupt juckt es mich, seit die Läuse-Epidemie um sich greift, überall. Obwohl wir bislang weder Eier noch sonstiges Krabbeltier auf uns beobachten konnten, benutzen wir Weidenrinden-Shampoo auf dem Kopf, Kokosnuss-Öl hinter den Ohren und das Lausschreck-Spray immer mal wieder für zwischendurch, großzügig verteilt wie in der Drei Wetter Taft Werbung. „Lausschreck – und die Frisur sitzt, auch nach fünfzehnstündigem Kampf gegen Nissen und greinende Vierjährige“. Außerdem haben wir die chemische Keule prophylaktisch im Schrank und ein weiteres silikonhaltiges, nicht pestizidgeschwängertes Fabrikat ist bereits von der Versand-Apotheke auf dem heilbringenden Weg zu uns. Wir sind also bestens gerüstet und bereit, den lästigen Parasiten mit probaten Mitteln entgegenzutreten. Falls sich denn die Eier dazu entschlössen, auch unser Haar zu überrollen.

Marienkäferchen flieg!

„Warum setzt ihr Euch keine Marienkäfer auf den Kopf?“ schlägt mir die Stimme meiner besten Freundin am Telefon quietschfidel entgegen, während ich gerade das Kokosnuss-Öl großflächig auf  Fräulein Lous Nacken verteile. „Think out of the box! Und ökologisch wäre es noch dazu,“ kichert sie mit einer Leichtigkeit, die nur Kinderlose in sich tragen. So scheint für meine Freundin, ein mit Läuse befallener Haushalt ähnlich weit entfernt wie das australische Sydney. „Aber in dieser symbiotischen Beziehung melken Marienkäfer doch Läuse.“ erinnere ich mich vage und schöpfe aus meinem Fundus rudimentärer Bio-Kenntnisse. „Stimmt, da hast Du Recht“ schallt es mir lachend entgegen. So habe ich tatsächlich ihre waghalsige Idee expertengleich in den Wind geschlagen, obwohl mir Marienkäfer als defensive Läuse-Maßnahme tatsächlich lieber wären als stinkendes Weidenrindenzeugs. Tja, wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen. Und auch die Apothekerin, die ich zur bevorstehende Ungeziefer-Bedrohung befrage, meint nur lakonisch: „Machen Sie sich nicht verrückt, es gibt Schlimmeres als Läuse.“ Und da hat sie wohl recht. Zum Beispiel Würmer. Besser Laus drauf als Wurm drin. Aber das ist wieder eine andere Geschichte und zum Glück bislang nicht unsere!

Mit dicken Klunkern in der Rumpelkammer

Kunst

Einer meiner Lieblingsautoren ist Ephraim Kishon. Seine Satiren sind fabelhaft. Dabei ist die Geschichte, bei der seine Familie von einer entfernten Tante ein recht eigenwilliges Bild geschenkt bekommt, eine meiner Favoriten. Denn was macht man mit einem überdimensionalen Gemälde, das den eigenen Geschmack nicht unbedingt widerspiegelt? Richtig, man verbannt es in die letzte Ecke der Rumpelkammer und hängt es nur dann auf, wenn die Tante zu Besuch kommt. Was macht man allerdings, wenn der Kunst-Mäzen mit dem Beschenkten unter einem Dach wohnt?

Unser Heim ist eine Galerie und wir die Galeristen

Der Stenz bastelt gerne. Ob malen, kleben, kneten, matschen, hämmern, schnitzen oder sprühen, alles, was mit den Händen hergestellt werden kann ist großartig. Doch genauso leidenschaftlich, wie er bastelt, liebt mein Kind es, dass selbst Produzierte zur Schau zu stellen und publikumswirksam in Szene zu setzen. Während bei anderen Eltern die kindliche Kunst in Boxen unter der Couch gelagert wird, legt unser Sohn gesteigerten Wert darauf, seine Kunstwerke seinen Mitmenschen zu zeigen. Denn nicht nur auf die Geschicklichkeit, auch auf die entsprechende Präsentation kommt es an! Dabei ist unser Haus, seiner Ansicht nach, der perfekte Ausstellungsort.

Performance Art vor der Haustür

Dass wir einen begnadeten Kunsthandwerker unter unserem Dach beherbergen, merken unsere Gäste bereits vor der Eingangstür. Denn hier hat sich im Lauf der letzten Jahre eine Vielzahl an verschiedensten Kunstobjekten auf mysteriöse Weise eingefunden. Sie alle verbinden sich zu einer facettenreichen Installation, die von einer ganz besonderen ökologischen Ästhetik zeugt. Das etwas zerrupfte Vogelnest wird kontrastiert von goldenen Steinen, die schamhaft unter 5.000 Stöcken und 200 Schnitzereien hervorlugen. Ein bisschen Moos, Kastanien, Baumrinde und am See gesammelte Glasscherben, die herrlich in der Sonne funkeln, gesellen sich ebenfalls zu dieser naturnahen Art-Kollektion. Nicht selten stolpert man in unser trautes Heim, weil die Kunst vor unserem Haus übermächtig wird und den Zugang versperrt. So nehmen unserer Besucher, ob sie wollen oder nicht, aktiv an einer lebendigen Art-Performance teil, die die Betrachtungsweise Darwins neu interpretiert: Nur dem Geschicktesten gelingt es, die heimische Türschwelle zu betreten.

Um Restmüll wird gebeten

Dabei wird seit einiger Zeit unser Art-Sammelsurium durch ein ganz besonderes „Oeuvre“ komplettiert. Vor ein paar Tagen zog sich der Stenz nämlich für eine neue Kreation in sein Zimmer zurück und malte voller Elan Schriftzüge von unserem Müllplan ab, die sich bei näherer Betrachtung als folgende, handsignierte Mitteilung entpuppte: „Restmüll hier – Vochrrrx“. Ich sollte das wertvolle Gemälde noch mit dem aktuellen Datum und dem Zusatz „Winter“ versehen (sodass das Werk im Stenz’schen Kunst-Zyklus des Jahres 2018 auch für die Nachwelt richtig eingeordnet werden könne). So weit, so gut. Nicht gut wurde es allerdings, als der Stenz auf die Idee kam, dieses wunderbare Pamphlet nun an der Außenmauer unseres Hauses zu befestigen. Ihm schwebte vor, die Mitteilung solle für alle Spaziergänger gut lesbar oberhalb unseres Briefkastens angedübelt werden. Dabei war ihm das Dübeln sehr wichtig. Der Mann wollte aber nicht dübeln und alle Vorbeiziehenden ermutigen, Restmüll vor unserer Haustüre zu deponieren. Bittere Enttäuschung machte sich in den Augen des Künstlers breit. Und da wir, die Galeristen, am Abend schon ein wenig mürbe waren, ließen wir uns breitschlagen. Es wurde zwar nicht gedübelt, aber wenigstens geklebt. So finden neuerdings nur diejenigen Einlass in unser Haus, die ein wenig Restmüll am Eingang ablegen und so geschickt sind, die gesammelten Stock-Berge zu überwinden.

Leere Klopapierrollen? Her damit!

Doch der zu uns Hereinstolpernde muss beim Eintreten nicht traurig sein, dass er die aufgetürmte Kunst vor dem Haus aus dem Sichtfeld verliert. Denn er stößt auch im warmen Inneren unseres Heimes auf sehr viel artistisches Material. Dabei steht ein signifikanter Teil unserer „Home-Art“ unter dem Motto: „Das unerschöpfliche Potenzial von Klopapierrollen“. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein eifriger Sammler eben dieser werde. Während andere Leute Sonnenbrillen, Whisky oder Antiquitäten hamstern, stürze ich mich seit geraumer Zeit auf leere Klopapierrolle und bin selbst in Wellnesshotels versucht, die ollen Papp-Dinger in meinen Koffer zu schmuggeln, um der Stenz’schen Bastel-Euphorie neue Impulse zu geben. Dabei scheint die Kreativität meines Kindes grenzenlos und zeigt sich in einer Art Arche Noah aus Klopapier-Tieren: Ob Küken, Drachen, Kraken, Elefanten, ja sogar Schneemänner, warten bei uns weltenhungrig darauf, in See zu stechen.

Das sommerliche Weihnachtsbaum-Pendant

Dabei frage ich mich immer wieder, wie andere Eltern es schaffen, dass ihr Haus diesen cleanen Chic aus „Vor-Kinder-Zeiten“ beibehält? Wir schaffen es jedenfalls nicht. Denn die skulptural-animalische Kunst, die aus Klopapierrollen unser Wohnzimmer schmückt, findet eine entsprechende Ergänzung an fast allen Wänden unseres Hauses. Denn da, wo zwischen schiefen Familienfotos und lustigen Kinder-Portraits noch Platz ist, hängen bunte Collagen, Kartoffeldrucke und selbst Gemaltes. Sogar unsere beiden Zitronenbäumchen wurden atmosphärisch vom Stenz verziert. Ganz so als würden sie sich, dank handgefertigter Mobilés, als sommerliches Pendant zum Weihnachtsbaum verstehen.

Wer lang hat, lässt lang hängen

Doch die Stenz’sche Kunst orientiert sich nicht nur an Türschwellen, Wänden und Pflanzen – nein, sie macht auch vor mir nicht halt. So wurde ich heute Morgen von meinem Sohn ermuntert, mich für den bevorstehenden Besuch ein wenig chic zu machen. Zu diesem Zweck solle ich mir ein ganz besonderes Geschmeide anlegen bzw. an die Ohren hängen. Und so baumeln nun zwei unterschiedlich große, verschiedenfarbige und sehr, sehr auffällige Riesen-Klunker an meinen Lauscherchen herunter. Selbstverständlich wurde auch diese kostbare Bijouterie vom Stenz selbst aus Fimo hergestellt.  Sein Entzücken kommentierte er bei meinem Anblick wie folgt: „Ach Mami, hoffentlich bekomme ich später auch mal so eine hübsche Mama wie Dich.“ Ja, da muss er lange suchen, bis er eine Frau findet, die so einen erlesenen Geschmack hat. Vergiss alle perlenbeohringten Frauen. Understatement war gestern! „Wer lang hat, lässt lang hängen“ hat mal eine Freundin zu mir gesagt und mit dieser Devise entscheide ich mich mutig, unsere Freunde mit den neuen Klunkern zu begrüßen. Allerdings fällt mir bei meinem Anblick im Spiegel Ephraim Kishon wieder ein. Ich bin mir sicher, er hätte mich in die letzte Ecke der Rumpelkammer verbannt!

Glücksmomente

Happy Family

Ich mag eigentlich keine rührseligen, kitschigen Texte, in denen Mütter ihre Kinder in den Himmel loben und jeden Pups des eigenen Fleisches und Blutes sezieren, bestaunen und mit inniglicher Liebe für die Nachwelt festhalten. All, denjenigen, denen es ähnlich geht wie mir, rate ich daher vom Lesen des nachfolgenden Textes dringend ab! Denn er ist vor allem für meine Kinder geschrieben. Wenn sie mich irgendwann einmal fragen: „Wie war das denn damals so mit uns?“ Dann werde ich mich verrunzelt zurücklehnen, versonnen lächeln und sagen: „Das war alles ziemlich schön!“

Das Baby wird Loulotte

Ich bin ein larmoyantes Meckermaul, obwohl ich nichts zu meckern habe. Denn ich lebe mit zwei wunderbaren kleinen Geschöpfen und einer großen, nicht minder wunderbaren Kreatur, an einem paradiesischen Fleckchen Erde. Meine Kinder amüsieren mich und rühren mein Herz. Denn während ich, seit ich Mama bin, hin und wieder etwas abschlaffe und matschig in der Gegend umherlaufe, sind meine Kinder ein Quell unendlicher Energie, Freude und die personifizierte Lebenslust. Vor allem das Baby lief in den letzten Monaten zu Höchstformen auf. Quasi von null auf hundert. Von Geburt an, mit einer außergewöhnlichen Haarpracht gesegnet, besitzt meine Tochter mit ihren 14 Monaten einen so dichten braunen Schopf, dass es Martin Schulz vor Neid die Tränen in die Augen triebe. Und auch Dieter Bohlens Beißerchen würden durch das weiße Lachen meines Zweitgeborenen in den Schatten gestellt – und das obwohl ihr Lachen bislang noch eckzahnlos erstrahlt (jedenfalls unten). Daher ist es nun an der Zeit, dass das Baby offiziell den Säuglings-Status verlässt und die Metamorphose zu Loulotte oder Fräulein Lou (ich bin mir noch unschlüssig) vollzieht. Fräulein Lou nutzt ihre kleinen Hauer nicht nur, um sich hin und wieder gegen die tätlichen Angriffe und Liebesbekundungen des Stenzes zu verteidigen, nein sie macht von ihnen in erster Linie Gebrauch, um zu essen – und zwar mit großem Entzücken.

Essen macht Freude Punkt!

Während ich gestern Abend meine Phantasie vollends ausschöpfte und Feen, Zauberer und sonstige Fabelwesen dazu einlud, eine lustige Rutschpartie auf einem Marmeladenbrot die Speiseröhre des Stenzes hinunterzurasen, nutzte Fräulein Lou den unbeobachteten Augenblick ganz für sich: Sie schnappte sich den gesamten Camembert, der das abendliche Buffet komplettierte und biss herzhaft hinein. Allerdings bemerkte ich diesen Umstand erst, als der halbe Camembert bereits frohgemut vertilgt war. Aufgrund ihrer Vorliebe für französischen Weichkäse und feinsten Wachholder-Schinken nennt sie ihr Opa auch liebevoll „Schinke-Marie’sche“ (hessisch ausgesprochen!) oder „Camemberta“. Denn während mein Sohn nur zu speisen gedenkt, wenn ich ihm vorlese oder seltsame Geschichten erzähle, schlägt Fräulein Lou vollkommen nach ihren Eltern und isst mit großer Wonne, was ich unglaublich sympathisch finde. Vor allem, wenn meine Tochter beim Verzehr von leckeren Köstlichkeiten mit einer Inbrunst „mmmmhhh-Laute“ aus den Tiefen ihrer kleinen verzückten Seele ertönen lässt. Sie ist sozusagen in das perfekte Umfeld hineingeboren. So gerät sie auf unseren Wellnessreisen immer wieder vor kulinarischer Begeisterung in Ekstase. Ihr beim wonniglichen Essen zuzuschauen ist einfach großartig! Und auch wenn sie vor Glück brummt wie ein Bär bin ich kurzzeitig versucht, mit einzustimmen und das Lied der glücklichen Grizzlys zu grummeln. Außerdem berührt es mich zutiefst, dass alles, was Loulotte liebt, bislang noch „Mama“ heißt. Ob Papa, der Stenz, ihre heißbegehrte bunte Blockflöte, die kleine Schlange aus der Holzdose, der Wachholder-Schinken – all das verdient die wunderbare, oft leicht nasal aber immer flammend hervorgebrachte Bezeichnung „Mama, ohhh!“

Über fröhliche Cowbäuerinnen und Fahrten in der Waschmaschine

Doch am schönsten ist es, die beiden Geschwister in trauter Zweisamkeit zu beobachten und dabei genaue Tätigkeitsbeschreibungen à la : „Mama, wir spielen Cowbäuerin und Kuh. Loulotte ist die Cowbäuerin und ich die Kuh.“ entgegenzunehmen. Aufgrund des freudetaumelnden Gesichtchens von Loulotte, die rittlings auf dem Bruder sitzt, bin ich zeitweilig versucht, die Berufsbezeichnung „Cowbäuerin“ in den Jobcentern dieser Welt als neue, Glück bringende, rurale Berufsbezeichnung zu propagieren. Überhaupt ist der Stenz seinem kleinen Geschwisterchen gegenüber meist (nicht immer) sehr fürsorglich eingestellt. Vor ein paar Wochen weinte er gar bitterlich und rief mich in vollkommener Verzweiflung, ich solle unverzüglich seine Schwester retten. Diese sei nämlich gerade dabei, frohen Mutes die Waschmaschine zu besteigen und eine quirlige Fahrt in der runden Trommel zu absolvieren. Auch wenn Loulotte gemäß der Stenz’schen Einschätzung hin und wieder „abgöttlich“ stinke, habe sie ein derart burschikoses und unsanftes Reinigungsritual doch nicht verdient und ich solle sie vor dem Verderben bewahren.

Tumber Tor, such’ mich!

Denn mit wem solle er sonst in Zukunft wohl verstecken spielen? Lediglich seine Schwester scheint in unserer Familie eine echte Spürnase zu sein. Während der Mann und ich wie tumbe Tore in unserem Wohnzimmer umherirren und erst nach einem halbstündigen Such-Marathon den Stenz aus seinem präferierten Versteck, hinter dem Vorhang hervorzaubern, ist seine Schwester weitaus zielstrebiger. Außerdem lässt sie sich im Moment des Auffindens, so fabelhaft erschrecken. Auf das große „WUAAAHHH“ des Stenzes folgt immer eine nicht enden wollende Lach-Salve von Fräulein Lou. Überhaupt ist Loulotte ein sehr solidarisches Wesen: Sobald der Stenz und ich lachen, freut sie sich aus purer Solidarität mit, egal um was oder wen es geht – selbst dann, wenn sie im Zentrum des Gelächters steht. Aber wehe der Stenz weint, dann ist Gefahr in Verzug und es wird nach Leibeskräften, mit Vorliebe in einer sehr hochfrequenten Tonlage, mitgebrüllt.

Hmm, lecker Papilloten

Man sagt ja immer, die Welt mit Kinderaugen zu betrachten sei so unglaublich bereichernd. An diesen Spruch dachte ich auch heute Morgen als Loulotte mit überbordender Neugierde in unser grünes Badewannen-Krokodil biss und sich anschließend schlapplachte. Wofür das in ihren Augen wohl gut sei? Als Anti-Ausrutsch-Schutz jedenfalls nicht. Und auch die bunten Papilloten, die sie vor dem Vergessen bewahrte und aus den Untiefen unseres Badezimmerschrankes hervorzog, mussten sich erstmal eines genauen Beiß-Testes unterziehen. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schmeckte das Badewannen-Krokodil wesentlich besser.

Gefühle hoch hundert

Ich habe bei meinen Kindern immer irgendwie das Gefühl, dass sie ihre Emotionen in potenzierter Form erleben: Freude, Trauer, Neugierde und Stolz hoch hundert oder so. Allein am Abend ist Fräulein Lou derart erbost, wenn ich es wage, nach zehn Minuten der Streicheleinheiten ihres Hinterköpfchens kurzzeitig zu pausieren. Denn sie liebt es, platt wie eine Flunder auf dem Bauch liegend, wohlig in den Schlaf gestreichelt zu werden. Aber wehe ich lege eine kleine Pause ein, dann wirft sie sich mit so viel Pathos wieder auf die Matratze ihres Bettchens und verlangt nach der Fortsetzung der angenehmen Kopfmassage. Als Dank, schläft sie dann auch ruckzuck ein. Ein Umstand, den ich fast noch schöner finde als ihr freudvolles Essen.

Der Augenstern schiebt den „römischen Streitwagen“

Selten zuvor habe ich so viel Stolz in den Augen funkeln sehen, wie bei meinen Kindern. So schiebt Fräulein Lou ihren Bruder mit einem fast berstenden Selbstbewusstsein in ihrem kleinen blauen „Streitwagen“ quer durch unser Wohnzimmer. Stolz wie Bolle ist sie auch, wenn sie an beiden Händen vom Stenz gehalten, ihre ersten Schritte durch das Kinderzimmer tapst. Als Dank wird der Stenz anschließend an der Wange gestreichelt, was den großen Bruder wiederum zu den Worten verleitet: „Ich liebe Dich so sehr mein Augenstern.“

Ich weiß, dieser Text ist eine Zumutung und Sie sind in den letzten fünf Minuten durch triefende Inniglichkeit gewatet. Aber ich habe Sie ja vor der Lektüre gewarnt!

Zum Spießer mutiert? Oder: Eine Hommage an WG-Zeiten

Hommage an die Kaiser-WG

Was ist aus mir geworden? Vor zehn Jahren lebte ich in einer Neuner-WG und lernte schon in meinen eigenen vier Wänden jeden Tag neue Leute kennen. Mein unmittelbarer Nachbar war ein Franzose mit chinesischen Wurzeln. Links hinten am Ende des Flurs lebte ein Italiener, der jede Nacht eine andere Couch-Surferin aus exotischen Destinationen bei sich beherbergte. Bevorzugt mit fabelhaftem Aussehen. Dabei hauste der Italiener selbst in einem circa sechs Quadratmeter großen Unterschlupf, der ehemals als Küche diente. Weiße Fliesen zierten noch bei seinem Einzug die Wände, eine heimelige Reminiszenz an die frühere Koch-Ära. Den Couch- Surferinnen war das Kajütenartige dieses Verschlags wurscht und dem Gastgeber ebenfalls. Platz ist ja bekanntlich in der kleinsten Hütte. Da störte auch der leichte Gas-Geruch, der aus einer defekten Leitung austrat, kaum. Überhaupt war uns allen vieles Wurscht. Der Zustand der Küche zum Beispiel oder wann der Flur das letzte Mal geputzt wurde. 

Tür an Tür mit der griechischen Kreissäge

Doch der Reihe nach. Ich bin nicht sehenden Auges in diese Neuner-WG geraten. Eine sehr schöne Zeit in meinem Leben übrigens. Zum Zeitpunkt meines Einzugs beherbergte die Altbauwohnung im Herzen von Schwabing gerade einmal vier andere Mitbewohner. Drei davon kannte ich und einen bekam ich nie zu Gesicht. Bei ihm handelte es sich um den „schnarchenden Griechen“. Er war ein scheues Wesen höheren Alters, von dessen Existenz wir lediglich durch seine kreissägenartigen Geräusche wussten. Der Grieche schnarchte am Tag und in der Nacht. Er verschnarchte auch den Zeitpunkt als unsere Fünfer-WG ganz plötzlich zu einer Neuner-WG mutierte. Ich kam abends nach Hause und erblickte auf einmal im Flur eine durchbrochene Wand. Dabei muss man wissen, dass die Vermieterin meiner damaligen Bleibe recht gierig war. Sie verlangte für mein zehn Quadratmeter-Zimmer stolze 400 Euro, wobei die anderen Zimmer teilweise noch teurer waren. Und da ihr die zimmerweise Vermietung in bester Lage Münchens als sehr lukrativ erschien, ließ sie kurzerhand von ein paar  Schwarzarbeitern in einer Nacht- und Nebelaktion, die Wand zu einer anderen zimmerreichen Wohnung durchbrechen. Aus zwei mach eins sozusagen.

„Les escargots du Portugal“

Mit einem gewissen Phlegma nahmen wir die wohnlichen Änderungen hin und harrten der Dinge, die da kamen. Und sie kamen aus Frankreich, Schweden, Portugal, Australien, der Schweiz und vielen anderen Orten, die ich im Laufe der Jahre leider vergessen habe. Es war herrlich. Drei meiner besten Freunde hier in München stammen immer noch aus dieser WG-Zeit. Es wurde in verschneiten Schwabinger Nächten Feuerzangenbowle getrunken, auf langen Ganzkörperspiegeln Sushi zubereitet und die weltbeste Pizza gebacken. Frische Schnecken aus Portugal waren eigentlich immer Bestandteil unseres wüst durcheinanderfliegenden Kühlschranks. Ich nannte damals doch tatsächlich ein halbes Kühlschrank-Fach mein eigen. Ulkigerweise war das ausreichend. Wer mich beim Einzug noch nicht kannte wusste bald, dass ich die Haferflocken-Esserin oder die Tomaten-Sandwich-Vertilgerin war. Alles in allem also eine sehr Platz sparende Kühlschrank-Konsumentin.

Verteidigungs-Strategie: Bügelbrett

In unserer „Kaiser-WG“ lebten die verschiedensten Charaktere in munterer Co-Existenz auf relativ engem Raum. Dabei war dieses Zusammenleben hervorragend, um die eigene Toleranz zu schulen. Nachdem das blonde Mädchen, das immer Hotpants trug, relativ zügig ausgezogen war, zog mir gegenüber ein freundlicher Kiffer ein. Sein Reich bestand aus sage und schreibe sieben Quadratmetern, welches sich allerdings, meiner Vermutung nach, durch die zahlreichen halluzinogenen Stoffe, die er rauchte auf phantastische Weise auszubreiten schien. Dabei war er, gerade den Schnecken gegenüber, die immer quicklebendig und taufrisch per Postfracht von Portugal in unser trautes Heim eingeflogen wurden, nicht besonders tolerant. Toleranz musste man auch üben, wenn Wiesn-Zeit war und sich noch mehr Menschen in unserer WG versammelten. Dabei wurde mein Zuhause immer wieder zu einem Panoptikum. Es war eine Wunderkammer seltsamer Begebenheiten und Begegnungen. Eines nachts stand beispielsweise der Schweizer mit einem Bügelbrett bewaffnet in meiner Zimmertür. Er meinte, er wolle sich verteidigen. Vor wem genau blieb mir bis heute ein Rätsel.

Auberge Espagnole im Herzen von Schwabing

Das tolle an der WG-Zeit war das Unterschiedliche an uns. Heterogenität par excellence sozuagen. Nicht nur die Länder oder Städte aus denen wir kamen. Auch unsere Biographien und Ausbildungen hätten verschiedener nicht sein können. Ein bisschen wie eine bunt gemischte Haribo-Tüte. Ob Lehrer, Arzthelferinnen, Fotografen, Berater, Physiker, Ingenieure oder Studenten – wir alle lebten in einer fröhlichen „Auberge Espagnole“ mitten am Schwabinger Kaiserplatz. Dabei blieb es nicht unbedingt bei einer Neuner-WG. Denn wir hatten alle unsere kürzeren oder längeren Liaisons und Partner, die wir anschleppten. Daher war es keine Seltenheit, wenn sich bei uns im „Wohnzimmer“ mal mehr als zwanzig Leute tummelten. Wenn es mir zu viel wurde, ging ich zum Mann oder zog mich in mein kleines bescheidenes Reich am Ende des Flurs zurück und mampfte meine Haferflocken.

In der Bayerischen Vierer-WG ist Exotik Fehlanzeige

Und heute, zehn Jahre später? Da ertappe ich mich tatsächlich dabei, wie ich meiner Freundin einen total verspießten Link sende. Einen Link auf dem sie Tipps mit wöchentlichen Rezeptideen findet. Tatarata: sogar zum Download als PDF! Sensationell. Man muss ja irgendwas kochen für die Kinder! Und da Schnecken nicht unbedingt zu den Lieblingsspeisen Vierjähriger zählen, brauche ich und mein Umfeld dringend Inspiration. Unglaublich, wie sich das Leben verändert. Von Neuner- auf Vierer-WG in zehn Jahren. Dabei sind zwei meiner Mitbewohner noch minderjährig und manchmal genauso verrückt wie der Schweizer mit dem Bügelbrett! Nur nicht ganz so international sind wir. Denn auf die Frage an den Stenz, ob er denn Vegetarier sei, antwortete er unlängst mit stolz geschwellter Brust: „Nein, ich bin Bayer!“ Aber für die Exotik in unserem Leben reisen wir dann halt einfach ein bisschen mehr.

Happy Birthday to you, Marmelade im Schuh, Aprikose in der Hose, Happy Birthday to you!

Happy Birthday to you - Schokolade im Schuh!

Kindergeburtstage haben ja unter Erwachsenen einen eher schlechten Ruf. Zu unrecht wie ich finde. Es ist Anfang Dezember und ich habe schon mindestens zwei Kilos zugenommen, obwohl ich noch keinerlei Vanille-Kipferl oder Weihnachtsknödel verspeist habe. Der Grund, das Baby und ich sind fast täglich auf Geburtstagsfeiern von Ein- oder Zweijährigen geladen. Herrlich. Nicht nur das Baby, sondern auch mein Bauch sind durch die Festivitäten in heiterer Stimmung. Und morgen stehen wieder süße Geburtstags-Muffins auf dem Speiseplan. Eingeladen wurde per Whats App und Gruppen-Chat. Man muss das ja noch ausnutzen, solange die Kinder so klein sind und keine, von Mama in stundenlanger Kleinstarbeit gebastelten Einladungs-Meisterwerke erwarten.

Norvirus trifft Kindergeburtstag

Daher finde ich diese Handy-Einladungen ganz großartig. Man weiß dank Chat, wer kommt und was die Gäste im Vorfeld so beschäftigt. Ich lese zum Beispiel am Vorabend des großen Festes von einer anderen Mama folgende Nachricht: „Unser Kleiner hat sich heute leider 37 Mal übergeben und ich bin noch nicht sicher, ob ich es morgen mit ihm zur B-Day-Party schaffe.“ Wahnsinn, ich bekomme schon beim Lesen der Nachricht einen unglaublichen Brechreiz und bin versucht zu schreiben: „Bitte, bitte bleib’ zu Hause!“ Um Himmels Willen, ich bin so hypochondrisch, dass ich meinem Sohn quasi ganzjährig die Haare mit stinkendem Weidenrinden-Shampoo einseife, damit er bloß keine Läuse bekommt. Höre ich, dass in Schleswig-Holstein ein Norovirus tobt, ziehe ich die zeitweise Quarantäne unserer gesamten Familie in Erwägung. Denn die Distanz zwischen Bayern und Schleswig-Holstein wird gemeinhin unterschätzt. Auch steht in fast jedem unserer Räumlichkeiten zu Hause eine performante Flasche Virugard – laut unserer Kinderärztin, das beste Desinfektionsmittel weit und breit. Dieses wird nach dem Kindergarten großflächig auf dem Stenz verteilt und auch das Baby darf bereits hin und wieder ein ausgiebiges Handbad in diesem Keim-Killer nehmen. So lebt die örtliche Apotheke von unseren monatlichen Virugard-Bestellungen, mit denen wir locker ein städtisches Krankenhaus bestücken könnten.

Jungfernfahrt mit Hindernissen

Und nun soll ich mit meinem Baby zu einem Kindergeburtstag, auf dem eventuell ein infizierter Brech-Durchfall-Erkrankter neben uns an der Torte schnabuliert? Danke, lieber nicht. Dem ein oder anderen mag meine Reaktion etwas übertrieben erscheinen, aber ich habe seit Jahren eine veritable Brech-Phobie. Diese liegt wohl darin begründet, dass mein erster Freund seine Prämiere eines Vollrausches in meinem Elternhaus zelebrierte. Ein weiterer Auslöser war mein bester Freund. Er begoss den Erwerb meines Führerscheins indem er ein wenig zu tief ins Glas blickte, sodass er mir,  der blutjungen Fahr-Anfängerin bei meiner zweiten offiziellen Autofahrt quasi von hinten ins Genick kübelte. Sei es wie es ist, ich habe ein schlimmes Brech-Trauma, das leider auch schon vom Stenz Besitz ergriffen hat. Denn im zarten Alter von drei Jahren erfuhr er bereits ähnliche Pein: Auf einem Kindergeburtstag brach ihm kurzerhand sein Sitznachbar auf den Arm – zur feierlichen Einstimmung auf die Tortenschlacht sozusagen. Der Stenz wollte den Kindergeburtstag für sich mit sofortiger Wirkung beenden und das Weite suchen. Sehr unhöflich, aber für mich absolut nachvollziehbar.

Käfer in Schockstarre

Mit Kindern ist man ja irgendwie immer so ein bisschen auf der Hut. Gestern zum Beispiel lagen wir alle im Bett und tobten wie verrückt. Dabei lieferten sich das Baby und der Stenz einen edlen Wettstreit, wer denn die lautesten „Pups-Geräusche“ auf meinem Bauch und an meinem Hals vollzöge. Beide Kinder waren fast ohnmächtig vor Lachen. Auch das Baby frohlockte und quietschte lauthals vor Vergnügen. So sehr sogar, dass es auf einmal fontänenartig den zuvor verspeisten Bananen-Brei auf meinen Bauch spuckte. Ein herrliches Gefühl, wenn das allgemeine Lachen unvermittelt in großes Gebrüll umschlägt. Das Baby schrie, der Stenz schrie und ich lag wie ein Käfer in Schockstarre auf dem Rücken mit Erbrochenem auf dem Bauch. Schade, dass just an diesem Abend der Mann, der bei uns für die Beseitigung eines solchen Schlamassels zuständig ist, nicht zugegen war. Doch gemeinsam mit dem Stenz, der in Windeseile mit seinem Schlafsack in Richtung Feuchttücher hüpfte, bewerkstelligten wir auch diese familiäre Herausforderung. Doch fortan bin ich bei Pups-Geräusch-Wettbewerben auf meinem Körper in Habachtstellung!

Kindermund tut Wahrheit kund

Auf dem Kindergeburtstag unseres kleinen Freundes war mir Fortuna glücklicherweise hold gesonnen:  Der Norovirus blieb fern. Und so war es ein wundervolles Wiegenfest mit reichlich Kuchen, Ballons und keinem einzigen weinenden Kind. Alle Gratulanten samt dem Mini-Gastgeber strahlten um die Wette und erfreuten sich an einem Glucose-Rausch. Das Baby und ich amüsierten uns ebenfalls prächtig. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt als der kleine Jubilar mir mit seinen Engelslöckchen entgegentrat, ganz eindeutig auf mich zeigte und mich wie folgt anredete: „Du, Oma!“ Plötzlich herrschte Stille. Ich schaute perplex, vielleicht auch ein klein wenig irritiert. Und da kam es wieder: „Du, Oma!“ Kein Zweifel, das Geburtstagskind verwechselte mich gerade mit seiner Großmutter. Ich weiß, dass ich seit ich Kinder habe, exponentiell gealtert bin, aber es so direkt und ohne Umschweife zu erfahren ist hart. Da half auch nicht der beschwichtigende Einwand der Geburtstagskind-Mama „Aber er liebt seine Oma über alles.“ So eine Aussage sitzt. Und auch der Stenz, dem ich von dieser wenig charmanten Anrede berichtete, entgegnete sehr ehrlich. „Mami, das war kein gutes Lob!“. Und da hat er wohl recht.

Das Tollpatsch-Gen

Mama flutet Badezimmer

Vor ein paar Wochen erhielt ich eine Anfrage einer Produktionsfirma, ob ich Interesse hätte, an einem neuen TV-Format mitzuwirken. Im Rahmen dieser neuen und spektakulären TV-Show hätte ich die einmalige Gelegenheit, die peinlichsten Anekdoten aus meinem Leben vor einem Millionenpublikum kundzutun. Dabei pries der Herr von der Produktionsfirma seine eigene Recherche-Genialität. Er freute sich wie ein Schneekönig darüber, dass er im World Wide Web fündig geworden und auf mich gestoßen sei. Denn ich könnte ja wahrlich so allerhand Peinliches berichten. Welch’ wunderbares Kompliment und was für eine unglaubliche Offerte! Trotz dieser Chance, mich vor aller Welt mit anderen liebenswürdigen Tölpeln namens Kevin, Dustin und Shayenne zum Affen zu machen, lehnte ich sein generöses Angebot dankend ab und wünschte ihm für seine Mission ganz viel Erfolg.

Vishnu – von wegen Gott der Zerstörung

Doch irgendwie kam ich nach dieser seltsamen Anfrage ins Grübeln. Warum passieren mir eigentlich immer so bizarre Dinge? Einer der Gründe ist sicherlich, dass ich eine gewisse genetische Disposition zur Tollpatischigkeit in mir trage. Ein mir sehr nahestehender Verwandter wird von uns allen, wenn er mal wieder die Kaffeetasse quer über den Frühstückstisch schmeißt, nur liebevoll „Vishnu“ genannt. Irgendwie unterlag meine Familie der irrigen Annahme, dass Vishnu im Vedismus, der Gott der Zerstörung sei. Allerdings habe ich gerade bei der Recherche zu diesem Text erfahren, dass Vishnu im Hinduismus als der „Welt-Erhalter“ gilt. Tja, da müssen wir uns wohl über kurz oder lang einen anderen Spitznamen ausdenken. Sei es wie es ist, dass ich ab und zu in der Patsche sitze ist auf jeden Fall erblich bedingt. Da kann ich nichts für.

Chucks mit Hundekacke, kein wirkliches Aphrodisiakum

Meine Karriere als Tollpatsch begann schon relativ früh, soweit ich mich erinnere mit ungefähr vierzehn Jahren. Da hatte ich nämlich ausnahmsweise einmal donnerstags Klavierunterricht. Und so wurde mir das Glück zuteil, meiner großen Liebe, die ich jahrelang nur aus sicherer Entfernung anbetete, doch tatsächlich einmal auf engstem Raum zu begegnen. Und während ich da so auf dem Boden des acht Quadratmeter großen Unterrichtsraumes kauerte und den himmlischen Klavierklängen meines Angebeteten lauschte, bemerkte ich plötzlich Schreckliches:  Ich hatte wohl auf dem Weg zur Klavierstunde ein recht unschönes Souvenir mitgenommen und zwar in Form eines Hundehäufchens. Das gute Erinnerungsstück klebte nun stinkig an meinem linken Chuck. Tollpatschigkeit ist eine Sache, wenn dann aber noch kosmische Verschwörung ins Spiel kommt, ist das gemein. Richtig gemein. Welche Pein erlitt ich damals, als sich mein Schwarm nach dem Ende seiner Klavierstunde unvermittelt in meine Richtung drehte, mich fragte, was denn hier so grauenvoll müffele und wer denn eigentlich das bezaubernde Geschöpf gewesen sei, mit dem ich heute auf dem Pausenhof entlang spaziert wäre? Und ob er wohl ihre Telefonnummer von mir bekäme? Bingo! Was ein Volltreffer. Glücklicherweise folgten dieser ersten großen Liebe noch weitere, die auf mehr Gegenseitigkeit beruhten.

Ich, der natürliche Feind aller Apple-Produkte

Und schließlich bin ich meinem Mann über der Weg gelaufen, der seit fast fünfzehn Jahren meine Tollpatschigkeit mit lachendem Auge erträgt. Das rechne ich ihm hoch an. Gerade in Zeiten, in denen seine „Augäpfelchen“ meiner Schusseligkeit zum Opfer fallen. Denn all seine Apple Produkte befinden sich durch meine Existenz in steter Lebensgefahr. Ein iPhone habe ich bei einem Schwimmbadbesuch geflutet. Nicht, dass ich so blöd war, es in den Pool zu werfen. Nein, es erlitt in meinem Rucksack durch eine auslaufende Wasserflasche einen Totalschaden. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich ihm nach der erfolgreichen Flutung einen adäquaten Ersatz verschaffte. Irgendwie gefiel ich dem Apple-Angestellten, dem ich unter Tränen mein Malheur schilderte und er händigte mir doch tatsächlich gratis ein niegelnagelneues Handy aus. Bei dem Macbook Pro, das ein Jahr später unglücklicherweise Bekanntschaft mit einer Johannisbeerschorle machte, hatte ich nicht mehr so viel Glück. Ach ja, und bei dem zweiten iPhone, dass ich versehentlich im Klo eines Wellnesshotels versenkte auch nicht.

Stilldementer Multitasker droht im Badezimmer zu ertrinken

Doch neben dem Tollpatsch-Gen ist sicherlich auch die Tatsache, dass ich Kinder habe, ein Grund dafür, warum ich ab und zu in eigenartige Situationen gerate. Denn seit ich Mama bin, habe ich mich zu einem wahren Multitasker gemausert. Ein Multitasker, der zeitweise unter Stilldemenz litt. Wenn man zehn Dinge gleichzeitig tut passieren eben auch mal kleine Fehlerchen. Wie heißt es im Volksmund so schön „wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, oder es fließt Wasser. Ein ganz normales Bespiel meiner meisterhaften Simultan-Tätigkeiten mit fragwürdigem Ausgang ist das Folgende: Ich lasse Badewasser ein und versuche währenddessen das Baby plantschbereit zu machen. Na ja, das ist eigentlich etwas euphemistisch ausgedrückt. Eigentlich stürze ich mich in den täglichen Wickel-Kampf. Denn das Baby mag es nicht sonderlich, gewickelt zu werden. Und während das Badewasser fröhlich vor sich hin plätschert, versuche ich das Baby davon abzuhalten, mit seinen Händen und Füßen in die prall volle Windel zu packen. In diesem Wickel-Kampf ist alles erlaubt. Um ihn zu gewinnen, schreie ich lauthals: „Muh, macht die Kuh, Kikeriki macht der Hahn, wau, wau macht der Hund! Und die französische Kuh macht meuh, der französische Gockel kräht cocorico und der francophile Hund bellt wouaf.“ Es soll ja nicht umsonst gewesen sein, dass ich in Frankreich studiert habe. Während ich auf phantastische Weise Tierstimmen international imitiere und pantomimisch auszudrücken versuche, jongliere ich zur visuellen Ablenkung des Babys akrobatengleich mit fünf bunten Armreifen, helfe dem Stenz, der ebenfalls mit der Quietsche-Ente um die Wette schwimmen möchte, aus seinem rechten Hosenbein und versuche, die miefige Windel mit Karacho in den Müll zu werfen. Wahnsinn. Die Nummer, die ich hier gerade unter Aufbringung all meiner Kräfte vollführe, ist so tollkühn, dass ich dabei bei „Wetten dass“ auftreten könnte. Ich bin mir sicher, alle Zuschauer würden vor Spannung die Luft anhalten. Die Frage, die alle beschäftigen würde: trifft sie den Windelmülleimer oder nicht? Leider nicht, aber das ist mein geringstes Problem. Plötzlich halte ich die Luft an. Denn aus dem Badezimmer schwappt mir eine Welle, garniert mit Badeschaum entgegen. Der Stenz jubiliert: „Mama, das ist ja toll, jetzt können wir auch auf dem Badezimmerboden schwimmen!“ Die Kombination aus Tollpatsch-Gen, Mutitasking und Stilldemenz ist eine Fatale! Das sage ich mir immer wieder, während ich nur einer einzigen Tätigkeit nachkomme, nämlich das Badezimmer trocken zu legen.

Mein Rollköfferchen und ich

Solo-Reise mit Hindernissen

Alleine. Nur für mich. Mein Herz hüpft und meine Ohren glühen vor Vorfreude. In wenigen Tagen werden sie nichts vernehmen, außer absoluter Stille! Wenn Ohren lächeln könnten, würde ich sie heute quasi von Ohr zu Ohr grinsen sehen. Denn es steht die erste Evaluierungsreise ohne Familie auf dem Programm – nur ein winzig kleines Rollköfferchen und ich. Ich kann mein Glück kaum fassen. Das letzte Mal als ich mich alleine auf Reisen begab, machte ich mich auf den Weg zu einer 500 km entfernten Beerdigung. Das war vor drei Jahren. Ich möchte nicht pietätlos klingen, aber was war das für ein friedvoller Trip. Alleine. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Familie inbrünstig und mit jeder Pore meines Herzens – aber nach knapp 1.095 Tagen des ständigen Zusammenseins, sehne ich mich nach ein klein wenig Abstand.

Murphy – Du Mistkerl!

Doch Murphy hat sich gegen mich verschworen. Er gönnt mir diese Reise nicht. So ein Mistkerl. Es ist Freitagabend und ich möchte mein Auto besteigen, um Essensvorräte für meine Liebsten zu kaufen, damit sie während meiner zweitägigen Abwesenheit nicht vom Fleisch fallen. Aber mein Auto springt nicht an. Es tut sich nichts. Gar nichts. Nada. Der gerufene Mechaniker rät mir zum Abschleppen. Wundervoll. Kein Auto, keine Reise, denke ich und wähle verzweifelt die Nummer meiner Reisebegleitung. Denn ganz alleine verreise ich doch nicht. Ich nehme eine Co-Testerin mit. Sie ist weiblich und erwachsen. Herrlich. Und zu meinem Glück verfügt sie über ein Auto. Ein sehr kleines Auto. Einen Smart. Einen Smart, der noch mit Sommerreifen bestückt ist. Und da Murphy ganze Arbeit leistet, fängt es Sonntagnacht an zu schneien.

Eine verhängnisvolle Alpen-Traverse

Der Plan war, Montagmorgen in aller Frühe aufzubrechen, um bloß keine der kostbaren Wellness-Minuten zu verpassen. Und jetzt schneit es. Nicht nur so ein paar Flöckchen. Nein, es scheint als würde der gewaltige Himmel als großer weißer Klumpen auf meinen Kopf fallen. Es sind gigantische Riesenflocken, die da runterkommen. Und da es zu einem Hoteltest in die Berge geht, laufen vor meinem inneren Auge die verschiedensten Unglücks-Szenarien ab. Denn ob mit einem sommerbereiften Smart oder einem Mini-Moped – beide Fortbewegungsmittel scheinen mir für die geplante Alpen-Traverse gleichermaßen ungeeignet. Allerdings würde ich bei dem momentanen Schnee-Chaos nie auf die Idee kommen, mit dem Moped aufzubrechen. Und so bin ich mir unsicher, welche bevorstehende Todesart mich am meisten schreckt: Die, bei der wir von einem LKW zerquetscht werden oder doch eher die, bei der wir schlitternd an einer Gebirgswand zerschellen? Ich rufe die Co-Testerin an, um sie zu fragen, welches Lebensende ihr tragischer vorkommt. Und obwohl wir in einer Stunde losfahren wollen, erreiche ich sie nicht. Denn laut einer letzten finalen Handy-Nachricht, hat ihr Mobil-Telefon heute Nacht seinen Geist aufgegeben.

Her mit der Geburtstagstorte!

Wenn sehr große Vorfreude zerplatzt ist das ein niederschmetterndes Gefühl. Es ist ein bisschen so, als würde dem Geburtstagskind kurz vor dem ersten Bissen die Geburtstagstorte herzlos entrissen. Ich könnte heulen. Der euphorische Vorschlag des Mannes, dass er und die Kinder mich nun doch auf die Reise begleiten könnten, animiert mich auch nicht gerade zu ekstatischen Luftsprüngen. Doch nachdem sich der Kloß in meinem Bauch so aufgebläht hat, dass selbst Königsberger Klopse im Vergleich wie kleine Klöpschen erscheinen, passiert das Wunder: Murphy zeigt Erbarmen. Die Co-Testerin ruft an und überrascht mit der freudigen Nachricht, dass sie mit dem Leihauto bereits auf dem Weg zu mir ist. Eine kleine Schreckminute erfahren wir noch kurz vor dem finalen Aufbruch gen österreichische Schluchten. Denn schon in unserer Auffahrt bleibt unser Vehikel im Schnee stecken und wir rammen beinahe das Auto des Mannes. Zum Glück nur beinahe! Es gelingt uns in letzter Sekunde, die Klippe dieser heimischen Karambolage zu umschiffen. Mit Elan düsen wir dann endlich mit unserem Leihwagen slowakischen Kennzeichens Richtung Österreich. Welch’ ein Glück, welch’ eine Wonne! Und nach zwei großartigen Tagen geht es tiefenentspannt zurück in mein Leben. Wie habe ich mich gefreut, die kleinen Ärmchen des Babys um meinen Hals und die Stenz’schen Küsse auf meinen Wangen zu spüren! Und der Mann? Der hat Kind und Kegel mit Bravour gewuppt. So kann ich den folgenden 1.095 Tagen mit Familie erholt entgegensehen. Und vielleicht klappt die nächste Auszeit ja schon etwas früher?

 

15 Dinge, die ich bei meiner ersten Solo-Reise, dessen Ziel keine Beerdigung ist, nicht vermisse:

Solo-Wellnessreise
  1. Im Auto kein Gejammer von der Rückbank und keine unentwegten Fragen: „Wann sind wir endlich da?”
  2. Keinem meiner Mitfahrer ist schlecht, zu heiß, zu kalt, zu langweilig oder in irgendeiner Form unwohl. Ganz im Gegenteil, ich erfreue mich an espritvoller Konversation unter Erwachsenen.
  3. Es herrscht eine friedvolle Stille im Auto, die nicht von erstklassiger Musik wie „Grün, grün, grün“ oder der Stimme von Pumuckl akustisch unterbrochen wird.
  4. Keine Brech-, Pipi-, Wickel- oder Schrei-Pausen.
  5. Kein Check-In mit Hindernissen. Denn keiner meiner Mitfahrer schläft kurz vor der Ankunft im Hotel ein. Daher muss ich keinen meiner Mitreisenden mit der schleichenden Grazie eines GSG 9 Sonderkommandos ins Hotelzimmer verfrachten.
  6. Das Bälle-Paradies und der im Keller befindliche Kids Club bleiben von mir bei diesem Hoteltest unbesucht.
  7. Ich genieße im Hotel-Restaurant ein freudvolles Dinner bei dem keine Pommes mit Ketchup und auch kein Gemüsebrei bestellt werden.
  8. Abends wird doch tatsächlich noch ein Cocktail an der Bar geschlürft anstatt wie gewohnt ein dreistündiges Einschlaf-Zeremoniell zu zelebrieren. In meinem Hotelzimmer erklingt daher weder eine unendliche Einschlafgeschichte noch eine von mir gesungene Ode an den Mond.
  9. Es folgt eine Nacht ohne die kleinste Schlaf-Unterbrechung. Diesen Satz muss ich nochmal wiederholen, weil er so wundervoll klingt: Ich schlafe ohne die kleinste Störung und rutsche friedvoll von einer tiefen REM-Phase in die nächste. GRANDIOS!
  10. Ich wache vollkommen ausgeschlafen von alleine auf.
  11. Denn es ertönt am Morgen kein Weckruf des Babys, der sich anhört als würde mein Zweitgeborenes in wenigen Sekunden aufgrund Unterzuckerung einen monströsen Schwächeanfall erleiden.
  12. Ich muss nicht mit wehenden Haaren in Lichtgeschwindigkeit gen Küche eilen, um ein, zwei, oder gar drei Bircher Müslis für das kurz vor dem Hunger-Kollaps stehende Löwenbaby zuzubereiten.
  13. Mein Frühstück nehme ich in unaufgeregter Atmosphäre ein, da sich niemand in meiner unmittelbaren Umgebung mit Brotkrumen bewirft oder sich Käsescheiben auf’s Gesicht klatscht .
  14. Ich gehe mit der Co-Testerin mit einer Leichtigkeit am See spazieren, deren Existenz ich beinahe vergessen habe. Denn ich muss nur mich alleine anziehen und keinerlei Proviant mitnehmen. Der Spaziergang verläuft in großer Eintracht, da wir uns über die Länge und Intensität des Spaziergangs absolut einig sind. Keiner meiner  Mit-Spaziergänger wirft sich weinend auf den Boden, weil man a) nicht mehr weiterlaufen will oder b) die eingeschlagene Richtung missfällt oder c) man Hunger, Durst hat oder einmal Pipi machen muss.
  15. Ich gehe mit der Co-Testerin rodeln. Es ist herrlich. Der Berg wird wieder mit einer grenzenlosen Unbeschwertheit erklommen, da die zuvor genannten Alternativen a), b), c) und d) ebenfalls nicht eintreten.

Doch nach zwei Tagen absoluter Ruhe, Harmonie und grenzenlosem Schlaf, fängt mein Leben an, mich zu langweilen. Ich sehne mich nach dem Duft, dem Temperament und der Nähe meiner Kinder. Und die Vorfreude auf den Stenz, das Baby und den Mann scheinen genauso grenzenlos, wie zuvor die Sehnsucht nach einer Solo-Reise.

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt

Der Tisch ist liebevoll gedeckt, die Croissants lachen uns verheißungsvoll an, das erste Kerzchen flackert atmosphärisch auf dem Tisch und wir zelebrieren den Auftakt eines harmonischen Advents-Frühstücks. Unsere Familie ist bester Laune, denn die Adventskalender haben eine für alle erquickliche Ausbeute zu Tage gefördert. Doch etwas fehlt noch zum perfekten Vor-Weihnachtsfrühstück. Genau, die saisonal korrespondierende Weihnachtsmusik. Ich bin ja vom Typ her so, dass ich eigentlich das ganze Jahr hindurch Weihnachtslieder hören könnte. Das ist irgendwie genetisch bedingt, habe ich von meinem Vater geerbt. Da der Mann allerdings nur ein begrenztes Verständnis für „Last Christmas“ zu Ostern hegt, beginne ich aus Respekt seinen Gefühlen gegenüber erst an verregneten Oktobertagen mit der klangvollen Einstimmung auf das frohe Fest. Dann aber richtig! Dieser frühe musikalische Weihnachtsritus hat allerdings zur Folge, dass der Mann Anfang Dezember bereits meiner geliebten Christmas Songs überdrüssig ist. Und das ist sehr schade! Denn gerade jetzt gelüstet es mich sehr nach einem heiteren „All I want for Christmas“.

Alexa – die Zwietracht säende Hauselfe

Da wir seit einigen Wochen eine eifrige Hausangestellte namens Alexa beschäftigen, flöte ich nun in Richtung Lautsprecher: „Alexa spiele Weihnachtssongs“. Der von unserer Dienerin ausgewählte Kanal mit Weihnachtsliedern ist zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig. Und ich merke wie der einträchtige Frühstücksauftakt erdbebengleich ins Wanken gerät und sich folgende Szene abspielt:

Der Stenz: „Nein, nicht Weihnachtslieder, Alexa spiele „Ho, hey, die Piraten kommen.“

Der Mann: „Alexa, spiele Jamiroquai“

Ich: „Oh nein, bloß nicht Jamiroquai!“

Der Stenz in etwas lauterem Ton: „Ich will Captain Sharky!“

Als Folge dieses konfliktträchtigen Dialogs gerät Alexa in einen Zustand vollkommener Konfusion und ich erlöse sie mit einem finalen: „Alexa aus!“

Der Weihnachtsmann mag keine Piratenlieder

Ich versuche einen Konsens zu finden und auch der Mann bemüht sich redlich das mittlerweile schreienden Diktat des Stenzes in Richtung Alexa zu besänftigen. „Stenz, es ist bald Weihnachten und wir wollen den Weihnachtsmann doch fröhlich stimmen. Und ich weiß nicht, ob der Weihnachtsmann überhaupt so gerne Piratenlieder mag. Daher hören wir heute ausnahmsweise einmal keinen Seeräuber-Song. Den hören wir ja schon an den 364 anderen Tagen des Jahres.“ versucht der Mann mit äußerster Diplomatie zu erklären. Es folgt eine ca. zehnminütige Debatte, die in folgendem Kompromiss mündet: Der Stenz darf sich ein Weihnachtslied aussuchen, das er dann auch lauthals Alexa entgegen schmettert: „Alexa, spiele „In der Weihnachtsbäckerei“. Nun wird die gesamte Familie von Herrn Zuckowski heimgesucht. Und ich frage mich, was schlimmer ist, Captain Sharky der Schrecken der Meere oder Rolf Zuckowski, der Schrecken der Eltern? Ich bin unschlüssig. Während ich noch dieser elementaren Frage nachhänge, ist sich der Stenz allerdings sicher, dass die Musik viel zu leise erklingt und befiehlt dem Lautsprecher deshalb die Dezibelzahl zu erhöhen. Während der Mann und ich unisono ein „Alexa leiser“ raunen. Doch das letzte Wort scheint der Stenz in dieser Sache haben zu wollen, denn nun brüllt er erneut „Alexa lauter“. Nachdem das Baby dem akustischen Spektakel bislang nur schweigend beiwohnte, schaltet es sich jetzt auch in den musikalischen Exkurs unserer Familie ein und fängt an, mit den fröhlichen Zuckerbäckern akustisch um die Wette zu heulen. Ich werte dies als einen Aufschrei gegen Zuckowski und sehe nun den Moment gekommen, unsere neue Hausangestellte zum Schweigen zu bringen und zwar mit einem herrischen „Alexa aus!“ Ich hoffe, dass Alexa in keiner Gewerkschaft organisiert ist und uns auch nicht beim Betriebsrat für unseren harschen Umgangston verpetzt. Doch dieses Aus gilt nicht nur Alexa, denn der morgendliche Frieden und das heimischen Kerzen-Idyll ist nun ebenfalls dahin. Der Stenz poltert, der Mann trollt sich und das Baby weint immer noch. Herrlich, so ein erster friedvoller Adventsmorgen.

Mathe ist ein Blödmann

Ich brauche dringend Aufheiterung und rufe meinen besten Freund an. Es tutet, dann höre ich einen Knall und eine laute, mir sehr bekannte Stimme, die an mein Ohr dröhnt „Mir reicht’s!“ Ich rufe den Namen meines besten Freundes in den Hörer und plötzlich vernehme ich erneut seine Stimme allerdings dieses Mal in etwas moderaterer Tonlage „Ach Du bist es. Ich habe gar nicht gemerkt, dass das Telefon geklingelt hat als ich just in dieser Minute auf den Tisch haute und das Telefon herunter fiel. Ja was soll ich sagen, wir lernen Mathe und das macht mich rasend.“ „Aha“ zeige ich Mitgefühl und bin ein klein wenig erleichtert, dass auch im Rhein-Main-Gebiet heute morgen scheinbar die festive Advents-Atmosphäre nicht so recht aufkommen will. Also ist nicht nur hier in Bayern die weiß-rosa Winterstimmung durch ein paar Gewitterwolken getrübt. Aber die große Tochter meines Freundes hat auch einfach recht mit ihrer Behauptung, dass Mathe ein Blödmann ist!

Wunder-Natur: Über Fledermaus-Ohren und Maulwurf-Appetit

So führte im schönen Rheinhessen neben dem privaten Matheunterricht auch die elterliche Nachhilfe in Sachkunde zu einem Advents-Desaster. Schande aber auch über meinen besten Freund. Denn er hatte beim Aufbau der Ohrmuschel der heimischen Fledermaus etwas ganz falsch verstanden. Und für diesen Irrtum musste nun sein Töchterchen büßen, indem es nämlich  anstatt einer Eins nur eine Zwei Plus im Sachkundetest mit nach Hause brachte. Augen auf bei der Wahl der Nachhilfelehrer kann ich da nur sagen. Ich wusste schon immer, dass mein Freund eher der numerische Typ ist. Einmal Niete in Bio, immer Niete in Bio. Das sollte ich mir merken und für den Stenz in besagtem Fach ebenfalls nie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Ich bin sowieso verwundert mit welch naturbedingtem Können meine Freunde mit schulpflichtigen Kindern aufwarten. So erfuhr ich erst unlängst en Detail, was Maulwürfe so alles fressen. Wahnsinn, das hätte ich ja nie gedacht!

Alexa muss weg!

Aber ich schweife ab. Ich wollte ja eigentlich meinen Freund in Sachen Alexa befragen. Denn nur aufgrund seiner schwelgerischen Erzählungen von der holden Dienstmagd kam mein Mann auf die glorreiche Idee, sich ebensolche auch zu beschaffen. Doch seit sie sich bei uns im Wohnzimmer eingenistet hat, wirbelt die so harmlos daherkommende Kammermaid unseren Familienfrieden ganz schön durcheinander. Denn während der Computer oder auch die Stereoanlage den großen Vorteil aufweisen, nur von Erwachsenenhand bedient zu werden, zeigt Alexa ein großes Manko: sie hört auch auf die verbalen Befehle unserer Kinder, selbst wenn diese noch so diffus sind. Und ich frage meinen besten Freund, wie er denn mit dieser gravierenden Unzulänglichkeit umginge? Da seufzt er müde und entgegnet mit einer markerschütternden Traurigkeit in der Stimme: „Ich habe resigniert. Meine Musik höre ich nicht mehr. Bei uns läuft nur noch die wundervolle Klangwelt von „Bibi und Tina“ und an richtig guten Tagen erfreut uns Helene Fischer mit ihrem Weihnachtsgesang.“ Ach Du Schreck, das ist ja grauenvoll! Mein armer Freund! Ich flüstere ihm ein paar aufmunternde Worte in sein nicht Fledermaus-Ohr und überlege mir, wie wir Alexa schnellst möglich wieder loswerden können und dabei summe ich leise  „All I want for Christmas“. Wer braucht schon Alexa? Die Datenschützer haben Recht.

November Blues

Mama Spiderman

Ich sitze in unserem schummrig beleuchteten Wohnzimmer und starre in die dunkle, neblige Einöde vor mir. Selbst die Kühe, die im Sommer unsere Wiese bevölkern haben bei dem Wetter das Weite gesucht und sich in den Stall getrollt. Es ist jedes Jahr dasselbe. Pünktlich im November bekomme ich den Winter Blues. Tristesse pur.

Exotische Fernreisen werden überschätzt

Während ich mich selbst bemitleide verteidigt der Stenz lauthals sein „kleines“ Lego vor seiner Schwester. Ich checke meinen Facebook Account und sehe neidvoll wie ein guter Freund sich in der karibischen Sonne aalt. Das Türkis des Meeres ist wirklich unerträglich! Genau wie seine Freizeitaktivitäten, die sich auf schlafen, schwimmen, essen und wieder schlafen zu beschränken scheinen. Er ist nämlich ohne Kinder unterwegs und lebt quasi in diesem Moment meinen minimalistischen Urlaubs-Traum. Was ein fauler Typ! Zugegeben, ich bräuchte nicht mal das karibische Meer. Auch auf das kreolische Essen und schwimmen könnte ich verzichten. Fernreisen werden überhaupt irgendwie überbewertet. Aber mal so 24 Stunden am Stück poofen, das wär’s jetzt. „Mama, das Baby hat sich ein kleines Rad vom Space Shuttle  in die Nase gestopft“, dröhnt es an mein Ohr und ich kehre zurück ins hier und jetzt. Während ich das Rädchen aus dem rechten Nasenloch meiner Tochter pople, denke ich an eine Kindergarten-Bekannte und muss unvermittelt lächeln.

Bühne frei für die erste Speckwürfel-Greifzange

Denn auch wenn mein Freund ausgeruht und braun gebrannt seinem Strand-Urlaub frönt, so viel komische Unterhaltung wie sie mir seit der Geburt meiner Kinder zuteil wurde, ist ihm sicherlich nicht gegönnt. Und „Lachen hält ja bekanntlich Leib und Seele zusammen“. Das Sprichwort lautet anders, ich weiß, ist mir aber gerade egal! Eins ist gewiss, zu viel UV-Strahlung wirkt lebensgefährlich. Das weiß mittlerweile jeder! Also immer positiv denken: wie gut, dass es hier in den letzten 14 Tagen gar nicht richtig hell wurde. Konzentriere ich mich lieber auf das Komische in meinem Dasein. Und davon gibt es viel. Vor meinem inneren Auge laufen plötzlich all die kuriosen Situationen ab, die mich seit ich Mama bin, heimgesucht haben. Und nicht nur mich, auch Freunde erleben manch schauerliche Anekdote. Wie eben diese Kindergarten-Bekannte. Denn während sich der Stenz im Frühling im Garten eines netten Spa-Hotels nur ein Weidenkätzchen in die Nase schob, leistete die Tochter der Bekannten ganze Arbeit. Sie ließ ihr linkes Nasenloch nämlich Bekanntschaft mit einem knusprig krossen Speckwürfel machen. Sie inhalierte diesen förmlich, sodass der Speckwürfel, meinem laienhaften Verständnis nach zu urteilen, unmittelbar an der Hirnpforte des Mädchens klopfte. Der diensthabende Arzt in der Ambulanz wusste sich nicht anders zu helfen als sich aus dem OP ein gefährlich anmutendes Instrument zu angeln und daraus eine Art Speckwürfel-Greifzange zu basteln. Ich bin mir sicher, das Werkzeug hat Potenzial für ein profitables Patent!

Anstatt Alarm für Cobra 11 – Fanfarenstoß für trächtiges Nilpferd

Kafkaesk mutete auch meine Flucht im hochschwangeren Zustand aus dem im Hochparterre gelegenen Toilettenfenster eines Wellnesshotels an. Doch von vorne: der Stenz und ich hatten beim Abendessen eine leichte Meinungsverschiedenheit. Diese gedachte ich nicht  vor den Augen aller neugierigen Gäste auszudiskutieren und so zog ich mich für eine kurze bilaterale Verhandlung mit meinem Kind in die intime Atmosphäre der Restaurant-Toilette zurück. Leider nicht ohne den vehementen Protest des Stenzes. Doch angekommen am stillen Örtchen kamen die erhitzten Gemüter langsam zur Ruhe, der Dissens wurde beigelegt und es folgte eine erquicklichen Aussprache zwischen Mutter und Sohn. Letzterer gelobte gutes Benehmen bei Tisch. Und so wollten wir in harmonischer Eintracht versöhnt wieder zurück zu Papa ins Restaurant. Schade nur, dass sich die Toilettentür nicht mehr öffnen ließ. Sehr schade sogar. Mein Sohn wurde leicht panisch und auch mir wurde plötzlich heiß als niemand auf mein Rütteln und zaghaftes Rufen reagierte. Als nach zehn Minuten immer noch keine Rettung in Sicht war, überlegte ich mir eine dominante Strategie. Ungeachtet der Tatsache, dass ich eigentlich schon zu unbeweglich war, um mir nur meine Schnürsenkel zuzubinden und ich einen leicht klaustrophobischen Dreijährigen zu besänftigen hatte, sah ich das Türmen aus dem Toilettenfenster als einzige Lösung aus der Misere. Denn scheinbar wurde dieses Klo gemieden wie ein Donnerbalken in der  novo sibirischen Tundra. Ein nahender Befreiungsschlag Fehlanzeige.

Mama Spiderman

Pi mal Daumen schätzte ich die zu überwindende Sprunghöhe auf 1,70 Meter. Also für mich als Mensch mit enormer Höhenangst gerade noch zu bewerkstelligen. Ich kletterte, wie es einem trächtigen Nilpferd im achten Monat mit eingeschränktem Bewegungsradius eben möglich ist, auf den Fenstersims und wollte mit meiner spidermäßigen Abseilung beginnen. Dabei instruierte ich den Stenz genau zuzusehen, wie ich auf tollkühne Weise diese akrobatische Zirkusnummer vollführte. Denn der zweite Teil des Planes sah vor, dass auch er behände von der Toilette aus wie ein kleiner Springbock den Fenstersims erklimmen sollte und dann sachte auf meinen gut gepolsterten Bauch bzw. in die mütterlichen Arme sinken würde. Soweit der Plan. Allerdings haperte es bei der Durchführung. Denn ich steckte irgendwie ganz eigenartig im Toilettenfenster fest.

Der Clown begrüßt die anreisenden Spa-Gäste

Wie schön, dass die Restaurant-Toilette zum Parkplatz gerichtet war und ich so zur Attraktion aller Neuankömmlinge wurde. Während einige Hotels als Willkommensritual heimische Schmankerl darbieten, punktete dieses Spa-Refugium mit einem hauseigenen Clown. Das müssen sich wohl alle anreisenden Gäste bei meinem Anblick gedacht haben. Einzig der Gärtner, der gerade Feierabend machen wollte, hatte Erbarmen und sah meine Not. Welch‘ ein Philanthrop! Was für ein Gentleman! Da könnte sich mein Mann ruhig eine Scheibe von abschneiden. Warum war er nach unserer zwanzigminütigen Abwesenheit immer noch nicht alarmiert? Ich sah ihn schon in Gedanken das „Dreierlei von der Bachforelle“ degustieren und die friedliche Tischruhe genießen und wurde ein klein wenig ärgerlich. Doch dafür konnte ja der wundervolle Gärtner nichts. Er schleppte gerade ein kleines Podest heran, das er anschließend bestieg, um mich dann aus dem Toilettenfenster zu quetschen. Ich kam mir vor wie eine überreife Zitrone, die zu einem Heißgetränk verarbeitet wurde. Doch das Unterfangen war erfolgreich. Freudentaumelnd fiel ich dem Gärtner um den Hals. Aus der Ferne nahm ich ein Klatschen für diese heroische Rettungsaktion wahr. Und der Gärtner legte sogar noch mehr Menschenliebe an den Tag. Befreite er nämlich den Stenz ebenfalls aus den Klauen dieses hinterlistigen WC-Kerkers.

Wer braucht schon karibische Sonne?

Wie schön, dass alleine die Erinnerung an dieses einschneidende Erlebnis meinen November-Blues nachhaltig vertreibt.  Ganz ehrlich, da brauche ich noch nicht einmal ein klitzekleines bisschen karibische Sonne, denke ich bei mir und rühre gedankenverloren in meinem Tee.