Das Tollpatsch-Gen

Vor ein paar Wochen erhielt ich eine Anfrage einer Produktionsfirma, ob ich Interesse hätte, an einem neuen TV-Format mitzuwirken. Im Rahmen dieser neuen und spektakulären TV-Show hätte ich die einmalige Gelegenheit, die peinlichsten Anekdoten aus meinem Leben vor einem Millionenpublikum kundzutun. Dabei pries der Herr von der Produktionsfirma seine eigene Recherche-Genialität. Er freute sich wie ein Schneekönig darüber, dass er im World Wide Web fündig geworden und auf mich gestoßen sei. Denn ich könnte ja wahrlich so allerhand Peinliches berichten. Welch’ wunderbares Kompliment und was für eine unglaubliche Offerte! Trotz dieser Chance, mich vor aller Welt mit anderen liebenswürdigen Tölpeln namens Kevin, Dustin und Shayenne zum Affen zu machen, lehnte ich sein generöses Angebot dankend ab und wünschte ihm für seine Mission ganz viel Erfolg.

Vishnu – von wegen Gott der Zerstörung

Doch irgendwie kam ich nach dieser seltsamen Anfrage ins Grübeln. Warum passieren mir eigentlich immer so bizarre Dinge? Einer der Gründe ist sicherlich, dass ich eine gewisse genetische Disposition zur Tollpatischigkeit in mir trage. Ein mir sehr nahestehender Verwandter wird von uns allen, wenn er mal wieder die Kaffeetasse quer über den Frühstückstisch schmeißt, nur liebevoll „Vishnu“ genannt. Irgendwie unterlag meine Familie der irrigen Annahme, dass Vishnu im Vedismus, der Gott der Zerstörung sei. Allerdings habe ich gerade bei der Recherche zu diesem Text erfahren, dass Vishnu im Hinduismus als der „Welt-Erhalter“ gilt. Tja, da müssen wir uns wohl über kurz oder lang einen anderen Spitznamen ausdenken. Sei es wie es ist, dass ich ab und zu in der Patsche sitze ist auf jeden Fall erblich bedingt. Da kann ich nichts für.

Chucks mit Hundekacke, kein wirkliches Aphrodisiakum

Meine Karriere als Tollpatsch begann schon relativ früh, soweit ich mich erinnere mit ungefähr vierzehn Jahren. Da hatte ich nämlich ausnahmsweise einmal donnerstags Klavierunterricht. Und so wurde mir das Glück zuteil, meiner großen Liebe, die ich jahrelang nur aus sicherer Entfernung anbetete, doch tatsächlich einmal auf engstem Raum zu begegnen. Und während ich da so auf dem Boden des acht Quadratmeter großen Unterrichtsraumes kauerte und den himmlischen Klavierklängen meines Angebeteten lauschte, bemerkte ich plötzlich Schreckliches:  Ich hatte wohl auf dem Weg zur Klavierstunde ein recht unschönes Souvenir mitgenommen und zwar in Form eines Hundehäufchens. Das gute Erinnerungsstück klebte nun stinkig an meinem linken Chuck. Tollpatschigkeit ist eine Sache, wenn dann aber noch kosmische Verschwörung ins Spiel kommt, ist das gemein. Richtig gemein. Welche Pein erlitt ich damals, als sich mein Schwarm nach dem Ende seiner Klavierstunde unvermittelt in meine Richtung drehte, mich fragte, was denn hier so grauenvoll müffele und wer denn eigentlich das bezaubernde Geschöpf gewesen sei, mit dem ich heute auf dem Pausenhof entlang spaziert wäre? Und ob er wohl ihre Telefonnummer von mir bekäme? Bingo! Was ein Volltreffer. Glücklicherweise folgten dieser ersten großen Liebe noch weitere, die auf mehr Gegenseitigkeit beruhten.

Ich, der natürliche Feind aller Apple-Produkte

Und schließlich bin ich meinem Mann über der Weg gelaufen, der seit fast fünfzehn Jahren meine Tollpatschigkeit mit lachendem Auge erträgt. Das rechne ich ihm hoch an. Gerade in Zeiten, in denen seine „Augäpfelchen“ meiner Schusseligkeit zum Opfer fallen. Denn all seine Apple Produkte befinden sich durch meine Existenz in steter Lebensgefahr. Ein iPhone habe ich bei einem Schwimmbadbesuch geflutet. Nicht, dass ich so blöd war, es in den Pool zu werfen. Nein, es erlitt in meinem Rucksack durch eine auslaufende Wasserflasche einen Totalschaden. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich ihm nach der erfolgreichen Flutung einen adäquaten Ersatz verschaffte. Irgendwie gefiel ich dem Apple-Angestellten, dem ich unter Tränen mein Malheur schilderte und er händigte mir doch tatsächlich gratis ein niegelnagelneues Handy aus. Bei dem Macbook Pro, das ein Jahr später unglücklicherweise Bekanntschaft mit einer Johannisbeerschorle machte, hatte ich nicht mehr so viel Glück. Ach ja, und bei dem zweiten iPhone, dass ich versehentlich im Klo eines Wellnesshotels versenkte auch nicht.

Stilldementer Multitasker droht im Badezimmer zu ertrinken

Doch neben dem Tollpatsch-Gen ist sicherlich auch die Tatsache, dass ich Kinder habe, ein Grund dafür, warum ich ab und zu in eigenartige Situationen gerate. Denn seit ich Mama bin, habe ich mich zu einem wahren Multitasker gemausert. Ein Multitasker, der zeitweise unter Stilldemenz litt. Wenn man zehn Dinge gleichzeitig tut passieren eben auch mal kleine Fehlerchen. Wie heißt es im Volksmund so schön „wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, oder es fließt Wasser. Ein ganz normales Bespiel meiner meisterhaften Simultan-Tätigkeiten mit fragwürdigem Ausgang ist das Folgende: Ich lasse Badewasser ein und versuche währenddessen das Baby plantschbereit zu machen. Na ja, das ist eigentlich etwas euphemistisch ausgedrückt. Eigentlich stürze ich mich in den täglichen Wickel-Kampf. Denn das Baby mag es nicht sonderlich, gewickelt zu werden. Und während das Badewasser fröhlich vor sich hin plätschert, versuche ich das Baby davon abzuhalten, mit seinen Händen und Füßen in die prall volle Windel zu packen. In diesem Wickel-Kampf ist alles erlaubt. Um ihn zu gewinnen, schreie ich lauthals: „Muh, macht die Kuh, Kikeriki macht der Hahn, wau, wau macht der Hund! Und die französische Kuh macht meuh, der französische Gockel kräht cocorico und der francophile Hund bellt wouaf.“ Es soll ja nicht umsonst gewesen sein, dass ich in Frankreich studiert habe. Während ich auf phantastische Weise Tierstimmen international imitiere und pantomimisch auszudrücken versuche, jongliere ich zur visuellen Ablenkung des Babys akrobatengleich mit fünf bunten Armreifen, helfe dem Stenz, der ebenfalls mit der Quietsche-Ente um die Wette schwimmen möchte, aus seinem rechten Hosenbein und versuche, die miefige Windel mit Karacho in den Müll zu werfen. Wahnsinn. Die Nummer, die ich hier gerade unter Aufbringung all meiner Kräfte vollführe, ist so tollkühn, dass ich dabei bei „Wetten dass“ auftreten könnte. Ich bin mir sicher, alle Zuschauer würden vor Spannung die Luft anhalten. Die Frage, die alle beschäftigen würde: trifft sie den Windelmülleimer oder nicht? Leider nicht, aber das ist mein geringstes Problem. Plötzlich halte ich die Luft an. Denn aus dem Badezimmer schwappt mir eine Welle, garniert mit Badeschaum entgegen. Der Stenz jubiliert: „Mama, das ist ja toll, jetzt können wir auch auf dem Badezimmerboden schwimmen!“ Die Kombination aus Tollpatsch-Gen, Mutitasking und Stilldemenz ist eine Fatale! Das sage ich mir immer wieder, während ich nur einer einzigen Tätigkeit nachkomme, nämlich das Badezimmer trocken zu legen.

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