Im Hotelpool

Wie eine wild gewordene Kaulquappe auf Ecstasy tollt der Stenz durch das türkisblaue Nass unseres Hotelpools. Dabei ist die Kaulquappe heute nicht nur besonders quirlig, sondern auch in Schwatzlaune. Ähnlich einem World Cup Slalom Schwimmer schlängelt sie sich durch die Sprudelbänke und plaudert redselig aus dem Nähkästchen: „Ich bin ein Cowboy, der auf Almen wandert.“ erklärt er selbstbewusst seinen Sprudelbank-Nachbarn, die angestrengt zu entspannen versuchen. Neuerdings geht er sogar auf Tuchfühlung mit anderen plantschenden Badegästen. Dabei kann ich wohl von Glück reden, dass er sie in seiner Euphorie nicht auch umarmt.

Der schwimmende Teilzeit-Cowboy hebt ab
Ich bin wirklich erstaunt ob so viel zwischenmenschlicher Nähe – war er doch bis vor kurzem in Sachen humaner Interaktion eher zurückhaltend. Auch die beiden sympathischen Damen, denen er gerade von seinen Cowboy-Rodeo-Abenteuern erzählt, scheinen zunächst etwas befremdet als sich ihnen plötzlich ein grüner Schwimmgürtel tauchend nähert und gefühlte fünf Zentimeter neben ihnen Fata Morgana-gleich erscheint. Allerdings begibt er sich nicht wie erwartet sofort wieder auf Tauch-Station, sondern gesellt sich freudestrahlend zwischen die beiden Ladies. Zum Glück haben sie Humor und nehmen es ihm nicht übel, dass er ihnen derart nah auf die Pelle rückt. Sie verwickeln ihn sogar in ein Gespräch. In diesem verkündet der Stenz, dass er ja nur Teilzeit-Cowboy sei, ehrenamtlich sozusagen. Denn seine eigentliche Profession bestünde im Fliegen. Ja, er wäre nämlich Pilot. Und da drüben oben im Saunahaus, da würde er immer abheben. „Die haben nämlich so tolle Wasserbetten mit Kopfhörern. Hier spielen mein Papa und ich immer Pilot und Tower.“ Die Brünette ist begeistert und gibt ihrerseits die ein oder andere Cockpit-Story über ihren Flugkapitän-Sohn zum Besten. Nun hat sie das Stenz’sche Herz im Sturm erobert und das kleine Pool-Pläuschchen geht in die zweite Runde.

Früh übt sich, wer virtuos massieren will

Während ich diese offensiven Annäherungsversuche meines Sohnes sprachlos beobachte, sitze ich auf der Decke im Hotelgarten und stille. Dabei lässt mir das Baby gerade eine kleine Gesichtsmassage angedeihen: Es walkt mit Inbrunst und großer Virtuosität mein Kinn und meine Wangen durch. Hierbei bemerke ich, dass das Baby mal wieder für eine kleine Maniküre an der Reihe wäre. Denn ich trage den ein oder anderen Kratzer von dannen. Und ich hoffe, dass die Therapeutin, die mich gleich profimäßig durchkneten wird, ihre Fingernägel besser in Schuss hat. Doch bevor ich in Richtung Spa trotte, mache ich auch das Baby schwimmbereit und versuche ihm, die bereits etwas spack sitzenden XS-Schwimmflügelchen über die Oberarme zu stülpen. Das Baby kommentiert den „Stülp-Vorgang“ mit trotzigem Schreien. So übergebe ich das Baby zugegebenermaßen nicht in bester Laune, in die Obhut seiner männlichen Blutsverwandten. Ich tausche quasi Baby- und Kindergeschrei gegen Vogelgezwitscher, Zirbenduft und Massageöl ein und sprinte jubilierend meiner fünfzigminütigen Entspannungsmassage entgegen. Yeah!

Die Geburtsstunde der „Spa-Lady“
So schön es auch war, mit der Erholung ist es schlagartig vorbei als ich zum Pool zurückkehre und dem folgenden denkwürdigen Dialog zwischen Vater und Sohn lausche: „Papa, komm’ wir schauen mal, ob das Baby untergeht. Lass’ Sie mal los, ich will wissen, ob die Schwimmflügel sie tragen.“ Danach folgt leichtes Hüsteln meines Mädchens und der Mann antwortet mit Verve in der Stimme: „Stenz, sie wird nicht untergehen, sie ist doch eine echte Spa-Lady“. Ich reiße mir die Kleider vom Leib und springe beherzt der kleinen Spa-Lady zu Hilfe. Diese hat aber, wie ich feststellen muss, tatsächlich ungeheure Freude im Wasser und zeigt mir durch munteres Beinchen strampeln, dass sie aus derselben Kaulquappenfamilie wie ihr Bruder stammt.

Ein Hoch auf belgische Turmfrisuren!
Und auch der Stenz war nicht untätig, er hat meine Abwesenheit genutzt und eine neue Freundschaft mit Anton geschlossen. Letzterer springt gerade lauthals schreiend: „Vorsicht, Arschbombe“ mit Schmackes vom Beckenrand. Der Stenz schaut grimmig und entgegnet auf die Aufforderung seines neuen Freundes, er solle es ihm doch gleichtun: „Ich darf leider nicht, meine Mama verbietet mir alles.“ Braves Kerlchen! Leider hab’ ich mich zu früh gefreut, denn der Stenz kann nicht widerstehen und hüpft trotz der gegen mich gerichteten Diskriminierung mit Vollgas in den Pool. Die belgische Frau mit Turmfrisur, die mich schon den gesamten Morgen auf so sonderbare Weise mustert, schaut nun noch pikierter als zuvor. Und ich glaube zu wissen warum: schon Antons Sprung ins Wasser brachte den Frisurenturm ins Wanken. Doch der Stenz’sche Hopser bedeutete das finale Aus für die goldene Haarpracht. Platt wie eine Flunder oder Ostfriesland bei Regen gleicht das Haupt der Belgierin. Dabei stimmt der Ausruf des Stenzes „Mami, hier riecht’s nach Rülps“ die Dame leider auch nicht versöhnlicher. Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Ich habe den Opa da hinten unter der Wasserfontäne in Verdacht…. Um das Thema zu wechseln, spiele ich jetzt Space Shuttle und ermuntere den Stenz, auf meinen Rücken zu klettern und schnell schwimmend das Weite zu suchen. Das vor Glück quietschende Baby ebenfalls im Schlepptau.

Schwer trächtiger Pottwal oben ohne
Ich gleite durch’s Wasser des Familienpools wie ein schwer trächtiger Pottwal – eben genau wie es mit zwei Kindern im Aqua-Huckepack möglich ist. Die vielen anderen Kids, die vom Beckenrand springen erleichtern das schwimmende Manövrieren auch nicht gerade. Und so ist mein Bewegungsradius stark eingeschränkt. Daher spüre ich mit umso größerem Schrecken, wie sich der Stenz von hinten an meinem Bikini-Oberteil zu schaffen macht. Ich kann gerade noch rufen: „Stenz, bitte nicht!“, da baumelt der Bikini auch schon leblos um meinen Hals. Zu spät, aus dieser Nummer komme ich hoch erhobenen Hauptes nicht mehr raus. Oder doch? Zum Glück rettet mich der Mann. Er sieht meine missliche Lage, schwimmt mir entgegen und befreit mich von meinen beiden Froschlurchen. Die belgische Frau beobachtet das Geschehen immer noch argusäugig. Ach, wie freue ich mich schon auf den nächsten relaxten Pool-Nachmittag!

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