Mein Rollköfferchen und ich

Alleine. Nur für mich. Mein Herz hüpft und meine Ohren glühen vor Vorfreude. In wenigen Tagen werden sie nichts vernehmen, außer absoluter Stille! Wenn Ohren lächeln könnten, würde ich sie heute quasi von Ohr zu Ohr grinsen sehen. Denn es steht die erste Evaluierungsreise ohne Familie auf dem Programm – nur ein winzig kleines Rollköfferchen und ich. Ich kann mein Glück kaum fassen. Das letzte Mal als ich mich alleine auf Reisen begab, machte ich mich auf den Weg zu einer 500 km entfernten Beerdigung. Das war vor drei Jahren. Ich möchte nicht pietätlos klingen, aber was war das für ein friedvoller Trip. Alleine. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Familie inbrünstig und mit jeder Pore meines Herzens – aber nach knapp 1.095 Tagen des ständigen Zusammenseins, sehne ich mich nach ein klein wenig Abstand.

Murphy – Du Mistkerl!

Doch Murphy hat sich gegen mich verschworen. Er gönnt mir diese Reise nicht. So ein Mistkerl. Es ist Freitagabend und ich möchte mein Auto besteigen, um Essensvorräte für meine Liebsten zu kaufen, damit sie während meiner zweitägigen Abwesenheit nicht vom Fleisch fallen. Aber mein Auto springt nicht an. Es tut sich nichts. Gar nichts. Nada. Der gerufene Mechaniker rät mir zum Abschleppen. Wundervoll. Kein Auto, keine Reise, denke ich und wähle verzweifelt die Nummer meiner Reisebegleitung. Denn ganz alleine verreise ich doch nicht. Ich nehme eine Co-Testerin mit. Sie ist weiblich und erwachsen. Herrlich. Und zu meinem Glück verfügt sie über ein Auto. Ein sehr kleines Auto. Einen Smart. Einen Smart, der noch mit Sommerreifen bestückt ist. Und da Murphy ganze Arbeit leistet, fängt es Sonntagnacht an zu schneien.

Eine verhängnisvolle Alpen-Traverse

Der Plan war, Montagmorgen in aller Frühe aufzubrechen, um bloß keine der kostbaren Wellness-Minuten zu verpassen. Und jetzt schneit es. Nicht nur so ein paar Flöckchen. Nein, es scheint als würde der gewaltige Himmel als großer weißer Klumpen auf meinen Kopf fallen. Es sind gigantische Riesenflocken, die da runterkommen. Und da es zu einem Hoteltest in die Berge geht, laufen vor meinem inneren Auge die verschiedensten Unglücks-Szenarien ab. Denn ob mit einem sommerbereiften Smart oder einem Mini-Moped – beide Fortbewegungsmittel scheinen mir für die geplante Alpen-Traverse gleichermaßen ungeeignet. Allerdings würde ich bei dem momentanen Schnee-Chaos nie auf die Idee kommen, mit dem Moped aufzubrechen. Und so bin ich mir unsicher, welche bevorstehende Todesart mich am meisten schreckt: Die, bei der wir von einem LKW zerquetscht werden oder doch eher die, bei der wir schlitternd an einer Gebirgswand zerschellen? Ich rufe die Co-Testerin an, um sie zu fragen, welches Lebensende ihr tragischer vorkommt. Und obwohl wir in einer Stunde losfahren wollen, erreiche ich sie nicht. Denn laut einer letzten finalen Handy-Nachricht, hat ihr Mobil-Telefon heute Nacht seinen Geist aufgegeben.

Her mit der Geburtstagstorte!

Wenn sehr große Vorfreude zerplatzt ist das ein niederschmetterndes Gefühl. Es ist ein bisschen so, als würde dem Geburtstagskind kurz vor dem ersten Bissen die Geburtstagstorte herzlos entrissen. Ich könnte heulen. Der euphorische Vorschlag des Mannes, dass er und die Kinder mich nun doch auf die Reise begleiten könnten, animiert mich auch nicht gerade zu ekstatischen Luftsprüngen. Doch nachdem sich der Kloß in meinem Bauch so aufgebläht hat, dass selbst Königsberger Klopse im Vergleich wie kleine Klöpschen erscheinen, passiert das Wunder: Murphy zeigt Erbarmen. Die Co-Testerin ruft an und überrascht mit der freudigen Nachricht, dass sie mit dem Leihauto bereits auf dem Weg zu mir ist. Eine kleine Schreckminute erfahren wir noch kurz vor dem finalen Aufbruch gen österreichische Schluchten. Denn schon in unserer Auffahrt bleibt unser Vehikel im Schnee stecken und wir rammen beinahe das Auto des Mannes. Zum Glück nur beinahe! Es gelingt uns in letzter Sekunde, die Klippe dieser heimischen Karambolage zu umschiffen. Mit Elan düsen wir dann endlich mit unserem Leihwagen slowakischen Kennzeichens Richtung Österreich. Welch’ ein Glück, welch’ eine Wonne! Und nach zwei großartigen Tagen geht es tiefenentspannt zurück in mein Leben. Wie habe ich mich gefreut, die kleinen Ärmchen des Babys um meinen Hals und die Stenz’schen Küsse auf meinen Wangen zu spüren! Und der Mann? Der hat Kind und Kegel mit Bravour gewuppt. So kann ich den folgenden 1.095 Tagen mit Familie erholt entgegensehen. Und vielleicht klappt die nächste Auszeit ja schon etwas früher?

 

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