Streichelzoo statt Dampfbad oder gefangen in Schlumpfhausen

Ich sitze auf einer grünen, stinkigen Gummimatte, klinisch ausgeleuchtet von grellweißem Neonlicht und stille. Während ich das tue blickt mir der grässliche Zauberer Gargamel arglistig über die Schulter. Und ich habe irgendwie den dringenden Drang meine Hände im Sekundentakt zu desinfizieren. Als ich mich gerade von dem schwarzen Magier, der vor etlichen Jahren einmal couragiert die Wand dieses Hotel-Kinder-Clubs verschönern sollte abwende, saust plötzlich der Stenz mit Karacho schreiend die Plastikrutsche hinab und bewirft mich im Vorbeiflug mit riesig bunten Knautsch Bauklötzen und brüllt „Schlümpfe, Schlümpfe, ich komme und rette euch!“ 

Die Schimpansen-Mama geht in Deckung

Ich versuche mit dem Baby an meiner Brust in Deckung zu gehen, vergeblich – einer der Gummi-Bauklötze trifft mich am Kopf. Und zu allem Überfluss erscheint auf einmal vor der gläsernen Pforte nach Schlumpfhausen eine zehnköpfige Rentner-Horde und schaut mich unverblümt an. Ich komme mir vor wie im Zoo. Fehlt nur noch, dass der pensionierte Frontmann zu seinem Mikro greift und laut durch die Hotelhalle röhrt: „Hinter dieser Glasscheibe sehen sie eine Schimpansen-Mutter, die ihr Junges säugt.“ Die Situation wird sogar noch sonderbarer: Denn mein Anblick versetzt den betagten Rädelsführer derart in Entzücken, dass er es sich nicht nehmen lässt und beherzt eintritt. Am liebsten würde ich, die unter kniehohen, weichen Bauklötzen begraben ist, einen lauten Schimpansen-Schrei ausstoßen und das Weite suchen. Auch mein Junges fühlt sich beim Trinken gestört und schaut den Rentner großäugig an. Leider gibt es in dieser in die Jahre gekommenen kleinen, muffeligen Gummizelle keine Fluchtmöglichkeit und ich lausche gespannt dem durch unseren Anblick berauschten Mann „Oh haben wir Ihr Kleines geweckt? Das wollten wir nicht.“ Während er das sagt drücken sich seine Freundinnen und Freunde weiterhin die Nasen an der Glastür zum Kinderclub platt. „Aber ich musste Ihnen einfach sagen, wir haben sechs von der Sorte!“ „Hä, was meint er? Sechs Schlümpfe, sechs Gummi-Bauklötze oder Sechsling-Schimpansenbabys?“ Ich nuschle ihm genant ein „Aha, großartig“ entgegen und wünsche mich in den nur wenige Gehminuten entfernten Infinity-Pool. Ein frommer Wunsch, der leider nicht Realität wird. Denn ich merke, dass ich zwischen diversen Gummi-Bauklötzen, Kinder-Stühlen und Bergen von Kuscheltieren bis auf weiteres in Schlumpfhausen gefangen bin.

Ich, die perfekte Besetzung für das Format „Bauer sucht Frau“

Oh man, wie viele Stunden habe ich in den vergangenen vier Jahren in Bälleparadiesen, Streichelzoos und Abenteuerspielplätzen von Wellnesshotels verbracht? Ich bin mir sicher, dass ich mittlerweile mehr Zeit in diversen Souterrain-Spielräumen mit so phantasievollen Namen wie „Trixies Kids Club“ oder „Fix und Foxy“ Bälle werfend, Puppen kämmend und imaginäre Speisen aus Miniatur-Schüsselchen essend zugebracht habe, als ich es mir zu Beginn meiner Wellness Hoteltesterinnen-Laufbahn je erträumt hätte. Alleine diesen Monat durfte ich unzählige Zwerghamster, Langhaar-Meerschweinchen und Angora-Häschen streicheln. Außerdem wurde ich von zwei Lamas angespuckt, von etlichen Ziegen gemustert und vom Stenz angeleitet, wie man Ponys striegelt oder Hängebauchschweine füttert. Ich würde fast behaupten, dass ich in den vergangenen vier Wochen eine beinahe Ausbildung zur Zoo-Fachangestellte absolviert und mich überdies für das Format „Bauer sucht Frau“ mehr als qualifiziert habe.

Gilroy, Jonathan-Oliver, Alicia & Co

Und auch in Sachen Hotel-Spielplätze habe ich mich zu einem Experten gemausert. Dabei habe ich mir angewöhnt, in den langen Stunden vor Klettergerüsten und Schaukeln interessante Verhaltensforschung zu betreiben und den diversen, mir dargebotenen Schauspielen, einfach nur schweigend beizuwohnen: Gilroy sitzt wie eine übergewichtige Bergziege im obersten Gebälk des Kletter- bzw. Seilgerüstes und schreit entrüstet um Hilfe nach seinem Papa. Er kommt wohl alleine nicht mehr runter. Papa sitzt aber Kippchen rauchend in sein iphone vertieft und hat außerdem Höhenangst. Daher muss wohl Gilroy-Mama ran. Fauchend und zischend begibt sie sich auf den Weg nach oben „Warum muss immer ich, den Karren aus dem Dreck ziehen?“ Elegant wie eine tonnenschwere Vogelspinne hangelt sie sich von Seil zu Seil und ich gestehe, dieses Bühnenwerk mutet derart grotesk an, dass ich einen mittelschweren Lachanfall bekomme. Und auch der kleinen Alicia beim munteren Sandeln zuzuschauen macht wahrlich Freude. Behände klettert sie mit ihrem Eimerchen die Treppe zur Rutsche hinauf und kippt den Sand zur großen Wonne von klein Jonathan-Oliver über dessen Kopf aus. Welch’ ein wunderbarer Moment! Er sollte für die Ewigkeit festgehalten werden. Das hier ist besser als Fernsehen. Zeternd kommt die Jonathan-Oliver Mutter herbeigerannt und tröstet ihren über und über mit Sand beschütteten Zweijährigen. Tja, da ist heute Abend wohl eine Dusche fällig.

Ein Hoch auf Hotel-Hausschuhe

Aber bloß keine Schadenfreude, denn der Stenz stapft gerade ebenfalls erzürnt in meine Richtung. „Mami, meine Schuhe sind weg!“ Und tatsächlich, vor dem Trampolin sind keine bunten Sport-Treterchen mehr zu finden. Dumm gelaufen. Denn es waren die einzigen Schuhe, die wir zu diesem Test-Aufenthalt ins Hotel mitgenommen haben. Und so schlurft der kleine Junior-Tester für den verbleibenden Tag mit kuscheligen Hotel-Latschen umher. Perfekt also, um eine weitere Runde im gummi-terrassierten Schlumpfhausen zu verbringen, yeah!

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