Über Brustwarzen-Zwirbler, Ohren-Zieher und andere Nachteulen

Schlafen ist wunderbar. Kinder, insbesondere Babys sehen das leider anders. Gerade das Einschlafen ist nicht besonders beliebt. So erfuhr ich unlängst, dass der Sohn einer Freundin nur dann sanft entschlummere, wenn er zuvor die Brustwarzen seiner Mama zwirble, ein anderes Kind zöge zum besseren Einschlafen an Mutters Ohren und wieder ein weiteres gelange nur ins Land der süßen Träume, wenn es sich wie eine Federboa um den Hals der Mama schmiege. Was machen Mütter nicht alles für ein klein wenig Schlaf? Sind sie nicht alle Heldinnen?

Ich, die engagierte Traubenstampferin

Zurzeit schlafe ich sehr gut. Das war nicht immer so. Denn auch meine Kinder verlangten, vor allem im Säuglingsalter, nach dem ein oder anderen grotesk anmutenden Einschlaf-Ritual. So sprang ich beispielsweise bei meiner Zweitgeborenen wie ein Känguru mit seinem Jungen im Beutel durch unser Wohnzimmer. Ganz so, als sei ich auf der Flucht vor einem ausgehungerten Löwen. Und wenn ich nicht gerade am Fernseher und unserer Couch vorbei sprang, dann betätigte ich mich als Traubenstampferin. So sah ich nämlich aus, als ich ganz langsam von einem Bein auf’s nächste trat, natürlich mit der Tochter im Beutel. Ganz so wie ein Hampelmann in Zeitlupe. Dabei brummte ich mit sonorer Stimme die Ur-Laute: „Alles ist gut, Mama ist da.“ Ganz tief und schwer hörte ich mich dabei an. Sowohl das Hüpfen als auch die Stimmverlagerung verlangte mir so einiges ab. Ich versuchte nämlich auf Anweisung der Hebamme genau die Tonlage zu treffen, die mein Kind im Bauch von mir vernommen hatte. Meiner Phantasie waren also keine Grenzen gesetzt. Es hört sich leichter an als es tatsächlich ist, wie ein Schwerverbrecher im Stimmbruch zu sprechen.

Nächtlicher Beutelwechsel

Doch bevor ich mit meinen Sprüngen und meinem tiefen Singsang loslegen konnte, musst erst mein Känguru-Beutel fachkundig an mich geknotet werden. Nicht dass bei meinen Hüpfern plötzlich und unerwartet mein Junges herauspurzelte – nicht auszudenken! Zum Glück wurde ich von einer Freundin in die hohe Kunst des Beutelwickelns eingewiesen. Gar nicht so einfach ein scheinbar 500 Meter langes, nicht enden wollendes Tuch an sich zu verarbeiten ohne als erste lebende Mumie in die Annalen einzugehen. Während mein Sohn drei Jahre zuvor, beim Einwickeln eine klaustrophobische Attacke erlitt und ich selbst zu ersticken drohte und daraufhin diese Einschlafmethode als absurd abschrieb, schwor ich bei meiner Tochter darauf. Es war nämlich die einzige Möglichkeit, sie zwischen ein und vier Uhr nachts wieder zum Einschlafen zu bewegen. Doch eines nachts konnte ich nicht mehr. Weder hüpfen, hampeln noch singen. Die Lösung: Der Känguru-Papa musste zur Känguru-Mama mutieren. Nachdem ich ihm unser Junges umgebunden hatte, fing er an zu stampfen. Denn für Hüpfer war er um diese unwirtliche Zeit zu müde. Er stampfte und singsangte. Allerdings schienen seine Stampfer mit meinen nicht mithalten zu können. Ich glaube, ihnen fehlte es einfach an der nötigen Grazie. Und so verlangte unsere Tochter zappelnd und weinend nach einem Beutelwechsel. Und auch wenn mein Mann damals als professionelle Einschlafhilfe morgens um halb vier versagte, so bleibt mir doch bis heute dieses wundervolle Bild des Mannes, der sich als Känguru-Mutter probierte. Und das ist Gold wert, glauben Sie mir!

Warmer Wüstenwind, der Einschlafbalsam für Säuglinge

A propos gelungenes Bild. Auch mein Sohn trug dazu bei, dass ich im hohen Alter viele fröhliche Erinnerungen vor meinem geistigen Auge Revue passieren lassen kann. Denn während meine Tochter sich dazu entschloss, lediglich zwischen der dritten und siebten Lebenswoche mitten in der Nacht lauthals Wache zu halten, schlief der Stenz genau eine Nacht. Und zwar die nach seiner Geburt. Anschließend vertrat er die Überzeugung, dass der nächtliche Schlaf überbewertet sei und entsagte ihm bis auf Weiteres fast gänzlich. Vielleicht war es auch nicht unbedingt seine Überzeugung als viel mehr sein Wille, uns, seine Eltern, in Sachen Kreativität zu schulen. Er wollte erfinderische Eltern, die sich ihre nächtliche Erholung auf trickreiche Weise verdienten. So probierten wir Pucken, Beutelhopser, Waschmaschinenfahrten und Staubsauger-Hypnose. Nichts von alledem half. Doch dann entdeckten wir dank empirischer Studien befreundeter Eltern eine, auf den ersten Blick recht aussichtsreiche Strategie. Sie bestand darin, den Stenz zu föhnen. Und so etablierte sich folgender Automatismus: Der Stenz schrie und wir föhnten. Wenige Minuten nach dem Föhnen knackte unser Kind weg. Es war wie Zauberei. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Jubelnd lagen wir uns in den Armen. Ich war sogar kurzzeitig versucht, die Korken knallen zu lassen. Doch morgens um fünf kommt die Feierlaune schon ein bisschen schal und fad daher. Deshalb ab ins Bett und sofort schlafen. Doch „wäääääh“ –  was war das denn? Just in dem Moment als ich meine Augen schloss, begann der Stenz erneut zu brüllen. Also noch mal eine Runde föhnen. Das Problem an dieser Taktik war, dass sie nur auf den ersten Blick von Erfolg gekrönt war. Denn der Stenz’sche Schlaf war nach einer Föhn-Einheit leider nur von kurzer Dauer, sehr kurzer Dauer. Besonders schön wurde unser Föhn-Spektakel in Wellnesshotels, die ihren Gästen nicht trauten und ihnen diebische Absichten unterstellten. Denn dann war der Föhn an der Badezimmerwand fest installiert und wir sahen uns genötigt, unser greinendes Kind samt Reisebettchen zum Föhn zu bugsieren. Ebenfalls ein sehr schönes und erinnerungswürdiges Bild. Vor allem dann, wenn das Reisebett nicht durch die Badezimmertür passt. Zu meiner Entschuldigung, wir waren verzweifelt nachts um halb fünf.

Zicklein oder Känguru, was ist besser?

Die zweite, und viel nachhaltigere Strategie war die des Kinderwagenschiebens. Zu ihr waren wir nach einer Nacht, in der ich stolze 58 Föhn-Intervalle zählte und in der ich beinahe unsere Wohnung in Brand gesteckt hätte, übergegangen. Die Kinderwagen-Methode war nicht nur nachhaltiger und sicherer, sondern auch gesünder. Denn ein bisschen frische Luft hat noch niemandem geschadet. Das ist auch besser als Wüstenwind aus dem Föhn. Wobei ich mich auch fast in der Sahara wähnte als ich in einem Sommer sengender Hitze flink wie ein Zicklein von Schattenplatz zu Schattenplatz sprang. Nicht um besonders saftige Grashalme zu fressen, sondern um den Stenz im Kinderwagen in den Schlaf zu schieben. Fast 60 Minuten schob ich ihn bei 40 Grad Celsius, immer auf der dünnen Schattenlinie der Gebüsche unserer Straße balancierend, bis er dann endlich einschlief. Aber nur um nach zehn Minuten des Power Naps zu Hause wieder aufzuwachen. Doch trotz solcher Rückschläge, erwies sich der Kinderwagen für sehr lange Zeit als mein loyalster Verbündeter. Ich schob ihn auf Terrassen, in Wohnzimmern, in Gärten nachts um halb vier und kämpfte mich mit ihm durch Eis, Sturm und Schnee, nur um mein Kind zum Schlafen zu bringen. Und heute? Heute braucht es eigentlich nicht viel mehr als einen ausgetobten Tag, ein weiches Bett und die Gewissheit, dass wir ganz nah sind, damit unsere Kinder einschlafen. Sollten Sie sich also gerade dabei ertappen, irgendwo da draußen wie ein Zicklein, ein Känguru oder eine Traubenstampferin in Trance zu funktionieren, nur damit ihr Kind endlich einnickt, dann merken sie sich einfach ihren Anblick und speichern ihn ganz feste. Denn in nicht allzu langer Zeit können Sie darüber wieder lachen. Versprochen!

Spielzeuge des Grauens oder es lebe das pantomimische Spiel

Gefahr Tinnitus

Ich glaube ich werde irre. Der Grund: Spielzeuge, die direkt aus der Hölle stammen. Was herrschten früher wundervolle Zeiten als sich die Kinder mit dumpf klackernden Bauklötzen, tonlosen Puzzlen und beschaulichem Puppen-Spiel vergnügten. Auch Seilhüpfen, Gummi-Twist und Kartenspiele, die meine Jugend so glücklich und geräuschlos ausfüllten, lassen mir heute Tränen der Wehmut in die Augen steigen und verleiten mich zu nostalgischen Träumereien. Da herrschte in den Häusern und Gärten noch Stille und Beschaulichkeit. Beschaulichkeit fand heute morgen auf jeden Fall wo anders statt, nicht bei uns. 

Frieden für meine Ohros

Dabei fing der Tag so verheißungsvoll an. Louloubelle und der Stenz lagen sich nach dem Aufwachen in den Armen, küssten und herzten sich. Und bei jedem spitzen Freudenschrei meiner Tochter lachte der Stenz liebevoll und mahnte zur Mäßigung: „Pssst, Mama und Papa wollen noch ein bisschen schlafen, nicht so laut schreien kleine Schwester.“ Was habe ich doch für ein Prachtexemplar von Sohn! Die Schwester hörte allerdings nur bedingt, nämlich das Signalwort „Schreien“ und folgte der brüderlichen Anordnung stante pede durch eine nicht enden wollende Freudenschrei-Salve, die maschinenpistolengleich aus ihr herausschoss. Mein spontaner Impuls: ich schob mir die Ohropax noch weiter in meine Hörmuschel, um auch die letzten Millimeter meines Trommelfells von der feindlichen Akustik dieses rauen Morgens abzuschotten. Danach sinnierte ich über die kuriose Bedeutung von „Ohropax“. Welch‘ eine originelle Wort-Kreation: Pax, also Frieden für die Ohros. Ja, Herr, schenk mir Frieden für meine Ohros! Bitte, bitte, sofort!

Testosteron liegt in der Luft

Doch dieses Geschrei ist nur der Auftakt, sozusagen die Aufwärmphase für einen noch viel ohrenbetäubenderen Vormittag. Schlaftrunken wanke ich gen Küche als mich plötzlich von rechts etwas mit einem infernalen Lärm streift. Doch nicht nur von rechts lauert Gefahr, auch von links sind meine Füße Ziel einer gnadenlosen Attacke und meine Lauscherchen werden ein weiteres Mal in Alarmbereitschaft versetzt. Dagegen waren die Jubelrufe meiner Tochter eine Symphonie für die Sinne. Der Mann und der Stenz scheinen allerdings nicht beeinträchtigt, im Gegenteil, sie sind in ihrem Element. Und ich spüre in der Küche eine stark testosterongeschwängerte Atmosphäre, die so gar nicht ausbalanciert ist. Wem wir diese männlich aufgeladene Unheils-Ambiance zu verdanken haben? Gleich zwei laut tosenden und wild blinkenden Super-Verhikeln. Ihre schwarzen, ferngesteuerten Seelen rasen durch unser Wohnzimmer und veranlassen mich zur sofortigen Flucht in den Garten. Wie konnte sich der Stenz bloß diese mephistophelischen Bestien zum Geburtstag wünschen? Und wie konnte ich bloß so blöd sein und diese Wünsche auch noch kommunizieren?

Akustische Apokalpyse

Während ich diesem Gedanken schuldbewusst nachhänge, erweist sich meine Flucht als missglückt. Denn die gewünschte Stille wird jäh unterbrochen. Der Grund: die Mutter allen akustischen Terrors und der personifizierte Hörsturz ist mir gefolgt und zwar in Form zweier harmlos wirkender Walkie Talkies. Doch sie sehen nur auf sichere Entfernung für Taube harmlos aus. Vergiss hochfrequente Freudenschreie, laute, ferngesteuerte Motorengeräusche, diese Walkie Talkies sprengen alles, was meine nach Stille und Frieden lechzenden Ohros in letzter Zeit gehört haben. Ich wusste gar nicht, dass Töne so schmerzen können. Wie nennt man dieses akustische Inferno? Vollkommen kopflos entreiße ich dem Stenz die beiden Kommunikationsgeräte des Grauens. Allerdings mit einem katastrophalen Effekt. Die beiden Walkie Talkies drehen in meinen Händen vollkommen durch. Sie sondern plötzlich einen unberechenbaren Widerhall ab, der für menschliche Ohren das finale Aus bedeutet.  Nur eine unerwartete-Explosion in meinem Garten stelle ich mir schrecklicher vor als diese markerschütternden Interferenzen. Fingernagel-Gekratze auf ’ner Tafel ist dagegen ein Spaziergang. Zu allem Überfluss stimmt der Stenz nun auch noch in diese Kakophonie ein. Er will die Walkie Talkies nämlich um keinen Preis hergeben. Und meine Tochter? Sie hat nichts Besseres zu tun als sich in diesem erbarmungslosen Moment ein kleines, rumliegendes Polizeimotorrad zu schnappen, das mit den harschen Befehlen „Polizei, Polizei, brrrrrrrrrrrr!“ meine finale akustische Apokalypse einläutet. Um Gottes willen. Ich glaube ich werde ohnmächtig, komplett irre oder taub. Ich hätte nie gedacht, dass mir die letzte Option einmal so attraktiv erscheinen würde.

Spielzeug-Industrie, nimm‘ Dich in Acht!

In Amerika kann man doch jeden und jede wegen irgendeinem belanglosen Mist verklagen. Vielleicht sollte ich die Spielzeug-Industrie verklagen. Denn im Laufe der Zeit haben wir so allerhand tönenden Tand bekommen. Dabei waren meine Favoriten bislang: ein sächsisch lispelnder Abschlepp-Truck und eine dämonische Maske, die gruselige Echolaute beim Überstreifen von sich gibt. Besonders schön, wenn ein unschuldiges Baby auf einmal spricht wie ein seniles Ungeheuer. Wissen die Spielzeug-Futzis denn nicht, dass Eltern im wahrsten Sinne des Wortes schon genug um die Ohren haben? Da braucht man nicht noch kreischende Walkie Talkies, plärrendes Fernsteuer-Gedöns und Polizeimotorräder, die ihre diktatorischen Dogmen in die Welt hinaus posaunen. Augen auf bei der Spielzeugwahl! Die nächste Wunschliste des Stenzes wird Dinge wie Memory und Anleitungen für kreative Pantomime beinhalten. Spaß hin oder her. Und bis zum nächsten Wiegenfest? Da verstopfe ich einfach meine Ohros mit den Frieden bringenden Wachs-Bällchen. Das nenn‘ ich mal eine glorreiche Erfindung!

Frankenstein lässt grüßen

Murphy, Du alter Schuft

Kurz vor Abreisen, größeren Familienfesten oder vor wichtigen beruflichen Terminen, gerne auch im Urlaub schlägt Murphy zu. Und zwar mit einer Regelmäßigkeit, dass es mich selbst schon gruselt. Denn er sendet uns dann von irgendwoher die seltsamsten Krankheiten. Diesmal plane ich ja nicht nur eine grandiose Indianer-Party mit ebenso grandiosen Regenmachern, nein wir stehen auch kurz vor Louloubelles Taufe. Somit schlägt Murphy gleich zwei fette Fliegen mit einer Klappe, wenn er uns temporär ausknockt. Und er hat sich diesmal was ganz Feines für uns überlegt. Phantasie hat der Kerl ja. Und genau wie seine Phantasie, so blüht auch unsere Bindehautentzündung und zwar eitrig bröckelnd und rot schimmernd. Hatten wir noch nie. Aber irgendwann ist ja immer das erste Mal.

Abwarten und Tee trinken – der männliche Therapieansatz bei jedweder Malaise

Ich schleppe meinen müden Körper nach unten ins Wohnzimmer, wo mein Sohn und mein Mann gerade imaginär einen Airbus in San Francisco landen. Ich fühle mich mal wieder wie 110, die Nase läuft, der Kopf ist schwer und ich glaube, ich habe zu allem Übel auch noch einen Tennis-Arm. Keinen Tennis-Arm vom Tennis spielen, dafür bin ich viel zu schlapp. Nein, einen Tennis-Arm vom Kleinkind tragen. Ich und mein Tennis-Arm sind heute morgen jedenfalls mit dem falschen Fuß aufgestanden. Und was erspähen meine Adleraugen binnen Sekunden an diesem glorreichen Morgen? Einen fiesen roten Film über den Stenz’schen Augen. Eine Tatsache, die dem Mann vollkommen entgangen zu sein scheint. Ich spreche den Mann darauf an. Der Mann sieht nix. Außer vielleicht die Landebahn vor sich. „Wo sollen die Augen denn rot sein?“ Ich glaube, Du siehst Gespenster.“ Ich: „Na da, ist doch alles komplett rot und voller Eiter da vorne! Ich wusste es, es geht rum und jetzt hat’s uns erwischt. Das kann doch nicht wahr sein. Unser Baby wird wie Frankensteins Brut höchst persönlich über dem Taufbecken hängen.“ Der Mann hat zwischenzeitlich das Flugzeug erfolgreich gelandet und stellt seine ausschweifende Fehldiagnose: „Da ist nichts, vielleicht ein kleines Äderchen, das gestern beim Sturz vom Baum geplatzt ist. Ich würde da jetzt einfach gar nichts unternehmen und abwarten. Das ist immer das Beste. Das geht von alleine wieder weg. Das weiß ich genau!“ Gar nichts unternehmen und abwarten – welch‘ grandioser Vorschlag, und so einfach in der Umsetzung. Eine vollkommen maskuline Herangehensweise an so viele alltägliche Herausforderungen. Und auch die uns plötzlich besuchende Schwiegermama beruhigt mich mit den Worten. „Das sind nur die gelben Blütenpollen, die sich vorne am Auge sammeln. Birke und Lärche spielen momentan total verrückt. Nein, das ist doch kein Eiter! Ein bisschen Sonne, frische Luft und Schokolade und den Kindern geht‘s morgen wieder gut.“

Eiter wischen: glücklicher Zeitvertreib an sonnigen Frühlingswochenenden

Leider behalten weder der Mann noch seine Mutter mit ihren medizinischen Aussagen Recht. Und ich darf an diesem Wochenende gleich zwei Mal zur Notapotheke, um antibiotische Tropfen und Salben zu besorgen. Zwei Mal, weil jedes Kind bei dieser höchst infektiösen Augenseuche sein eigenes Set benötigt. Denn natürlich hat es meine Tochter wenige Stunden später auch erwischt. Aber es gibt, gerade bei schönem Wetter keinen besseren Zeitvertreib als sich mit Apothekern über die beste Methode der Eiter-Beseitigung am Augenlid zu unterhalten. Selten so anregende Schwätzchen gehalten. Doch der eigentliche Spaß fängt zu Hause an: Der Mann meldet sich freiwillig und ziemlich kleinlaut zum Eiter wischen und kochsalzgetränkte Kompressen legen, während ich quasi stündlich Antibiotikum in Flüssigform in des Babys und des Stenzes geschwollene Äuglein träufele. Gerade bei Louloubelle ist das Freude pur. Denn so ein 18 Monate altes Kleinkind ist natürlich sehr aufgeschlossen und verständig bei der Behandlung einer bakteriellen Bindehautentzündung.

Albino-Häschen mit Maulsperre

Dabei treibt mich vor allem die Einhaltung der strikten Hygiene-Vorkehrungen in den Wahnsinn. Meine diversen Internet-Recherchen ergaben zu meinem Schrecken, dass diese Augen-Seuche nicht nur über eine Schmierinfektion (was ein wohlklingendes Wort!), sondern auch über Tröpfcheninfektion verbreitet wird. Wie schön, dass sich Louloubelle nach der Gabe der Augentropfen nicht nur wie wild die Äuglein reibt und danach alles, was ihr in die Hände fällt anfasst, sondern auch mit Vorliebe an allem schleckt, was ableckbar ist. Das fängt bei meinem Gesicht an und hört bei sämtlichen Büchern im Regal auf. Die kleine Graugans auf dem Bilderbuch schreit aber auch förmlich nach einem feuchten Bussi. Ich bin mir sicher, sämtliche Seuchen der Menschheitsgeschichte konnten nicht verhindert werden. Da waren Kleinkinder mit im Spiel! Dabei leistet meine Tochter bei der Verbreitung dieser furchteinflößenden Augen-Pest ganze Arbeit. In ihrer Akribie steckt sie sich auch einen quadratischen Duplo-Stein in den Mund. Und zwar so, dass der Stein zu einer Art Mundsperre führt. Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Der grüne Stein steckt unwiderruflich zwischen ihrem Kiefer fest. Sie schaut aus wie ein verzweifeltes Albino-Häschen, das versehentlich ein überproportioniertes Löwenzahnblatt im Mäulchen hält. Noch nicht mal laut weinen kann sie, nur wimmern. Auf so was wird man als werdende Mama einfach nicht genügend vorbereitet. Anstatt einen Geburtsvorbereitungskurs zu besuchen, hätte ich mir mal lieber die verrücktesten Geschichten von Freunden mit Kindern anhören sollen. Inspiriert vom Heimlich Manöver lege ich das japsende Albino-Häschen über mein Knie. Fortuna ist mir hold gesonnen, der quadratische Löwenzahn gibt nach und das Häschen und ich fallen ermattet zu Boden.

Sagrotan: Sie baden gerade ihren Körper darin

Diesen Kampf habe ich gewonnen. Aber keine Müdigkeit vortäuschen, auf geht‘s in die zweite Desinfektions-Runde. Der Duplo-Stein erfährt ein Bad in Sagrotan, genau wie alle anderen Spielsachen und ich übrigens auch. Denn dass sich diese Form der Bindehautentzündung doch nicht per Tröpfcheninfektion überträgt und man 24 Stunden nach Antibiotikum-Gabe gar nicht mehr ansteckend ist, erfahre ich leider erst nach fast überstandener Krankheit. Aber das ist nun auch schon egal. Hauptsache der Täufling und seine Familie schlagen den Pfarrer nicht mit blutunterlaufenden Augen in die Flucht. Und nicht nur blütenweiße Zähne auch schneeweiße Pupillen wären auf dem Foto für’s Familienalbum wünschenswert. Komm‘ Murphy altes Haus, gib Dir `nen Ruck, drei Tage hast Du noch!

Mein Kampf mit dem Klebeband oder ich plane eine Indianerparty

Indianerparty

Ich habe länger nicht mehr für diesen Blog geschrieben. Ich hatte keine Zeit. Ich war beschäftigt. Sehr beschäftigt. Ich plane einen Kindergeburtstag. Daher schreibe ich nicht mehr, sondern bastle. Aber auch die Recherche zum Festakt raubt mir einiges an Zeit. Denn was die Mamas um mich herum in den letzten Monaten an eventplanerischem Geschick vorgelegt haben, hat mich zutiefst eingeschüchtert. Vielleicht hat es mich auch etwas verschreckt, ich gebe es zu. Meine Freundinnen sind allesamt Tausendsassas mit unglaublicher Kreativität, höchsten Ansprüchen und sagenhaften Kunstfertigkeiten! Wenn ich an den fünften Geburtstag des Stenzes denke überkommen mich daher mittelgroße Beklemmungen und leichte Lähmungserscheinungen. Denn ich bin in der Organisation von B-Day-Partys nicht unbedingt begnadet. So stellte ein kleiner Gast schon zu Beginn des letzten Stenz’schen Kindergeburtstages die dringende Frage an mich: „Wann darf ich denn endlich wieder nach Hause?“ Und das obwohl die Fertigkuchen-Backmischung noch nicht einmal vollständig verzehrt war! Kein Wunder also, dass ich in leichte Panik verfalle und mit kurioser Neugierde das folgende paradoxe Phänomen an mir selbst beobachte: Je toller die Kindergeburtstage der anderen, desto phlegmatischer werde ich in Bezug auf die Event-Organisation für unseren Nachwuchs. Doch vor ein paar Tagen beschloss ich, dass damit nun Schluss ist und begann, mich kopfüber in die Planung der bevorstehenden Feierlichkeiten zu stürzen. 

Geburtstags-Lektion 1: Wie fange ich ein Huhn? 

Nicht dass ich besonders gerne Events plane. Es ist eben so, dass man ja irgend etwas machen muss, wenn der geliebte Sohn fünf wird. Das wird er ja nur einmal im Leben! Da ist schon irgendwie Druck dahinter. Und der Vorschlag einer kinderlosen Freundin doch einfach zu McDonald’s zu fahren und jedem der kleinen Gäste `nen leckeren Cheeseburger und ein Milkshake zu spendieren, erschien mir dann doch, in Anbetracht der rauschenden Feste zu denen mein Sohn bislang geladen war, etwas kleinkariert. Und irgendwie fehlt da ja auch der didaktische Anspruch! Auch wenn ich die Idee immer noch ganz großartig finde. Denn in den letzten Monaten hat der Stenz seinen Horizont durch die verschiedensten Kinder-Geburtstage merklich erweitert. Seine Kernkompetenzen liegen nun im Hühner fangen, Lamas ausführen und Ziegen füttern. Er hat Freundschaft mit zahlreichen Landwirten im Fünf-Seen-Land geschlossen. Eine Bäuerin himmelte er sogar richtig an. „Mami, die war so hübsch!“ erzählte er mir nach der Party. Als ich die 60jährige Dame, die den Kindern die Welt der Lamas erklärte, dann auf Fotos sah, war ich doch recht verdutzt über die Schwärmerei meines Kindes. Egal,  die „Party Locations to be“ unter fünfjährigen Jubilaren scheinen zur Zeit jedenfalls Bauernhöfe zu sein. Dabei standen nicht nur Ausritte auf dem Pferderücken, sondern auch Lagerfeuer in Tipi-Zelten und saisonale Kleinigkeiten wie Osterhasen aus Baumstämmen basteln auf der abwechslungsreichen Party-Agenda. Auf knifflige Lebens-Situationen ist der Stenz außerdem bestens vorbereitet. Er wird mit großer Sensibilität durch sein Dasein navigieren, denn seine Sinne wurden bei den ausgefallensten Schnitzeljagden über Wiesen, Felder und dichtes Unterholz geschärft. Außerdem hat er eine Menge neuer Vorbilder gewonnen. Wie etwa Zauberer und Superhelden, die die Festivitäten mit ihrer Anwesenheit kürten. Auch eine Karriere als begnadeter Heimwerker ist für den Stenz dank lehrreicher Geburtstage nicht mehr ausgeschlossen. Denn in eigens angekarrten Bastel-Wagons à la Löwenzahn lernte mein Kind unter fachkundiger Anleitung Piratenschiffe schnitzen. Und selbst gefertigte Pfeil und Bogen lassen unsere Familie auch in kargen Zeiten in der Wildnis überleben. Selbstverständlich stimmte bei allen Feierlichkeiten die zum Motto korrespondierende Dekoration, und zwar bis ins allerkleinste Detail! Frauen sind Perfektionisten und holistisch denkende Wesen, die nichts dem Zufall überlassen. Wer es nicht glaubt, der besucht einfach Kindergeburtstage für Fünfjährige!

Rodeo-Reiten: ein machbares Event-Konzept zum 5. Geburtstag?

Nachdem ich bei den letzten vier Geburtstagsfeiern des Stenzes die Überzeugung vertrat, dass ein großer grüner Garten, ein bisschen Spielzeug, Dr. Oetker Backmischungen und wunderbare Kinder und Eltern, die Party schon richten werden, überdenke ich dieses obsolet gewordene Event-Konzept für den nahenden fünften Geburtstag und hole mir Inspirationen bei anderen Mamis. „Leih‘ dir doch ein Pony für euren Garten bei „Rent a Pony“ riet mir meine Freundin. Als ich diesen glorreichen Vorschlag meiner Cousine erzählte, lachte sie und unterbreitete mir folgenden Gegenentwurf: „Das kannst Du günstiger haben! Mach `ne Cowboy-Motto-Party und frag` den Bauern auf der Nachbarwiese, ob die Kids auf seinen Kühen  `ne Runde Rodeo reiten dürfen. Und die Verlierer gehen alle gleich nach Hause!“ Dieser Gegenvorschlag entbehrt nicht eines gewissen Reizes.  Auch eine Feuerwehr-Motto-Party stand kurzzeitig im Raum. Zugegeben sehr kurzzeitig. Denn als ich die Bilder einer Bekannten sah, die diesen aufwendigen Weg eingeschlagen hat, war die Idee auch schon wieder verworfen. Allein die Besorgung der Requisiten würde mich Monate kosten. Ach wie waren sie schön, die Zeiten von Topf schlagen, blinde Kuh und Eier laufen.

Lustiger Hase und wissende Eule trommelt nach Regen, aber erst wenn der Büffel erlegt ist!

Irgendwann hatte ich dann aber doch den beglückenden Einfall einer Indianer-Party. Und nun sitze ich hier und kämpfe seit zwei Stunden mit ätzendem Klebeband, um bunte Regenmacher aus Klopapierrollen, Milchreis und Federschmuck zu zaubern. Habe ich erwähnt, dass jeder Regenmacher mit Indianer-Namen wie „lustiger Hase“ und „wissende Eule“ personalisiert sein wird? Ach ja, und der nächste Blogbeitrag wird wieder länger auf sich warten lassen. Denn meine Abende sind immer noch mit Pinterest-Recherchen gefüllt. Denn da geht noch einiges! So ist meine anfängliche Geburtstags-Lethargie in einen übersteigerten, absolut  lächerlichen Ehrgeiz gemündet. Wie bekloppt ist das denn? Heute habe ich mich tatsächlich dabei ertappt, wie ich minutiös eine Büffel-Jagd vorbereite. Für den sechsten Geburtstag des Stenzes gehe ich dann aber wirklich zu McDonald’s! Und wer weiß, vielleicht inspiriere ich mit diesem mutigen Schritt ja andere faule Mamas, toll wär’s!